Trotz grossen Worten nach Robert Enkes Tod vor zehn Jahren: Depressionen sind im Fussball nach wie vor ein Tabuthema. Ein Kommentar.
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Oliver Bierhoff, damaliger Team Manager der deutschen Nationalmannschaft, weint nach dem Tod von Robert Enke an einer Pressekonferenz. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Am 10. November 2009 beging Fussball-Goalie Robert Enke Selbstmord.
  • Der Deutsche hatte zuvor seit mehreren Jahren an Depressionen gelitten.
  • Nau-Reporter Philipp Kobel kommentiert, welche Folgen der Fall Enke im Fussball hatte.
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«Mehr an die Würde des Menschen denken.» Theo Zwanziger, 2009 Präsident des Deutschen Fussball-Bundes, richtet diese Worte an die 40'000 Trauergäste bei der Gedenkfeier für Robert Enke. Er ist bei Weitem nicht der einzige hohe Würdenträger im Fussball, der nach dem Suizid des Torwarts den Moralapostel mimt.

Der Tod Enkes schockt den internationalen Fussballzirkus. Nicht nur Spieler und Funktionäre im Umfeld des 32-Jährigen fragen sich: Wie konnte das passieren, ohne dass jemand Wind von Enkes Verzweiflung bekam?

Die mediale Fassungs- und Hilflosigkeit, sowie die Anzahl Ratschläge, dass sich so ein Drama nicht wiederholen darf, sind gewaltig. Doch schon bald geht der Fussball wieder zur Tagesordnung über, spätestens bei der WM 2010 ist das Thema vergessen. Nur beim Todestag Enkes flackert es wieder kurz auf.

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Robert Enke hielt dem steten Leistungsdruck nicht stand und nahm sich im Jahr 2009 das Leben. - Keystone

Steter Druck, stetes «Bashing»

«Fussball ist nicht alles.» Bischöfin Margot Kässmann sagt diesen Satz in der Trauerandacht 24 Stunden nach Enkes Tod. Würden Fans, Medien und Spieler diesen Worten Glauben schenken, die Fussballwelt wäre im Umgang mit psychischen Erkrankungen enorm weitergekommen. Leider ist dem nicht so.

Klubanhänger, die Granit Xhakas Tochter Krebs wünschen, weil er ihrer Meinung nach schlecht spielt. Die deutsche Boulevardpresse, die Torwart Roman Bürki einen «Hampelmann» nennt und ihn mit einem «Gürki» vergleicht. Beispiele nach dem Motto: Fussball ist alles. Wer nicht glänzt, wird zur Schnecke gemacht.

Zyniker mögen nun ins Feld führen, dass die «Millionarios» diese Beleidigungen bei ihren fürstlichen Löhnen auszuhalten haben. Nein, haben sie nicht. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.

Zeitverzögerte Enttabuisierung

Zurück zum Thema: Zahlen der deutschen Spielergewerkschaft VDV vom letzten Jahr zeigen, dass 85 Prozent der deutschen Profiklubs keinen festen Psychologen fürs Fanionteam beschäftigen. Braucht es weitere Belege dafür, um zu manifestieren, dass Depressionen im bezahlten Fussball noch immer nicht ernst genommen werden?

In der Gesellschaft enttabuisieren sich Themen wie Homosexualität und Depressionen zunehmend. Doch der Fussballzirkus hinkt da immer massiv hinterher. Es braucht mutige Individuen, wie der schwule Schiedsrichter Pascal Erlachner oder der depressive Tottenham-Star Danny Rose, die sich outen. Kommen effektive «flankierende Massnahmen» der Verbände und Klubs dazu, können Fälle, wie derjenige von Robert Enke, verhindert werden.

Danny Rose
Danny Rose spricht als einer der wenigen Fussballprofis offen über seine Depressionen. - Keystone

Zum Schluss noch ein Denkanstoss: Vor gut einem Jahr sorgte der FC Bayern München mit einer Medienkonferenz für Schlagzeilen. Die Chefetage machte klipp und klar deutlich, dass sie das mediale «Bashing» ihrer Spieler nicht mehr akzeptiert. Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge sagte: «Ich zitiere in diesem Zusammenhang Artikel 1 des Grundgesetzes: ‹Die Würde des Menschen ist unantastbar›.»

Das Medienecho und die Meinungen am Stammtisch waren eindeutig. Die Bayern-Bosse seien Heulsusen, Rummenigges Vergleich hinke komplett. Man stelle sich vor, diese PK hätte wenige Tage nach dem Tod Enkes stattgefunden. Wie wären dann die Reaktionen ausgefallen?

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