«Fussball, der von Herzen kommt»: Ajax verzaubert Romantiker
Ajax Amsterdam steht dicht vor dem Finaleinzug in der Champions League - und das mit vielen Eigengewächsen und erfrischender Spielweise. Die Fussball-Romantiker sind verzückt.
Das Wichtigste in Kürze
- Ein Wunder, pure Magie, ein Geschenk für die Menschheit: Die niederländischen Zeitungen überschlugen sich nach der nächsten magischen Nacht der Ajax-Bubis mit Superlativen.
Durch das 1:0 (1:0) im Halbfinal-Hinspiel bei Tottenham Hotspur schrieb Ajax Amsterdam weiter an seinem Champions-League-Märchen und verzauberte auch europaweit wieder die Fussball-Romantiker.
«Gegen Ajax sehen Spitzenteams aus wie Amateure», schwärmte Rafael van der Vaart, Ex-Star von Ajax und des Hamburger SV, beim Sender NOS. «Sie können Geschichte schreiben. Und das mit einer so jungen Mannschaft und solch attraktivem Fussball», sagte Sky-Experte Lothar Matthäus.
Die Zeitung «De Volkskrant» wurde poetisch angesichts des Märchens vom Aussenseiter, der sich durch drei Qualifikationsrunden schlagen musste, in der Vorrunde dem FC Bayern mit zwei Unentschieden die Stirn bot und schliesslich erst Titelverteidiger Real Madrid und dann Juventus Turin rauswarf. «Diese Mannschaft hat die Ehre von so manchem Spitzenclub verletzt. Mit Fussball, der von Herzen kommt», schrieb das Blatt: «Das ist ein Geschenk für den Fussball liebenden Teil der Menschheit.» Und das auch im Land des unterlegenen Teams. «Dieser jungen und furchtlosen Mannschaft zuzusehen, ist eine absolute Freude», schrieb der «Daily Mirror».
In den Niederlanden herrscht Euphorie um das Team, das Trainer Erik ten Hag - einst Coach der zweiten Mannschaft des FC Bayern - und sein Assistent Alfred Schreuder - ab Sommer Chefcoach bei 1899 Hoffenheim - geformt haben. 4,1 Millionen Zuschauer sahen die Partie am Dienstag, es war die höchste Einschaltquote, die je bei einem Vereinsspiel im niederländischen Fernsehen verzeichnet wurde. Zuvor hatte die Liga eigens einen kompletten Spieltag verlegt, damit Ajax genug Vorbereitungszeit blieb.
Ajax zahlte in London zurück. «Dieses junge Team ist unglaublich», lobte der frühere Bayern-Star Bixente Lizarazu. Und der englische Sky-Experte Jamie Carragher prophezeite: «De Jong und De Ligt sind künftige Superstars.» Aus dem Schatten von Frenkie de Jong (21), den sich der FC Barcelona schon für 75 Millionen Euro sicherte, und Matthijs de Ligt (19), dem jüngsten Kapitän in einem Champions-League-Halbfinale, trat in London Donny van de Beek (22). Am Siegtorschützen aus der 15. Minute und überragenden Spielgestalter sollen aktuell Borussia Dortmund und Paris Saint-Germain interessiert sein. Auch der FC Bayern oder Barcelona wurden schon mal als Interessenten gehandelt. De Beeck stand nach dem Spiel auch symbolisch für Bescheidenheit und Selbstkritik der Himmelsstürmer. «Es war okay», sagte er, «aber es geht noch besser.»
Am 8. Mai kann Ajax ins Endspiel einziehen und wäre damit der erste Finalist seit 2004, der nicht aus den vier grossen Ligen England, Spanien, Deutschland und Italien kommt. Ajax-Generaldirektor Edwin van der Sar ist die Euphorie fast schon unheimlich. «Wir sind auf dem halben Weg, aber noch nicht durch», warnte der einstige Star-Torhüter, der 1995 beim bislang letzten Ajax-Triumph durch den 1:0-Finalsieg über den AC Mailand noch selbst dabei war.
Tottenham-Coach Mauricio Pochettino nahm die Niederlage wegen seiner falschen Start-Taktik mit Fünfer-Abwehrkette derweil auf sich. «Wir sind das Spiel falsch angegangen. Ich bin der Trainer, also habe ich die Verantwortung», sagte er: «Aber wir liegen nur 0:1 zurück. Noch sind wir am Leben.»