Weltweite Kritik an CAS-Urteil zum Fall Semenya

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Deutschland,

Zutiefst sexistisch, furchtbar unfair, enttäuschend, prinzipiell falsch, rassistisch, klischeehaft: Die Wogen der Kritik schlagen nach dem CAS-Urteil im Fall Caster Semenya hoch. Schon am Freitagabend startet die Südafrikanerin überraschend in Doha.

Caster Semenya kann nach ihrem verlorenen Einspruch beim Internationalen Sportgerichtshof vor das Zivilgericht gehen. Foto: Hendrik Schmidt
Caster Semenya kann nach ihrem verlorenen Einspruch beim Internationalen Sportgerichtshof vor das Zivilgericht gehen. Foto: Hendrik Schmidt - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Wut und Enttäuschung, eine Prise Sarkasmus und heftige Kritik von allen Seiten: Das CAS-Urteil im Fall von 800-Meter-Olympiasiegerin Caster Semenya hat viele Beobachter geschockt und eine Welle der Solidarität mit der Weltklasse- Leichtathletin aus Südafrika ausgelöst.

Der südafrikanische Verband prüft einen Einspruch gegen das Urteil - wie viele andere beklagte er eine «Diskriminierung» Semenyas. Es gab aber auch Zustimmung zur neuen Testosteron-Regel des Leichtathletik-Weltverbandes IAAF.

«Mich würde wirklich interessieren, was Usain Bolt sagen würde, wenn man ihm Hormone gäbe, damit seine Beine schrumpfen. Nichts anderes verlangt man von Semenya», sagte Balian Buschbaum, der als Yvonne Buschbaum vor seiner Geschlechtsangleichung mehrfach deutscher Stabhochsprungmeister war, der Deutschen Presse-Agentur. «Schade, dass Caster Semenyas Anliegen von jemand be- und verurteilt wurde, der nie in ihren Schuhen gelaufen ist. Schade, dass Gerichte über Verstand und nicht mit Empathie entscheiden», meinte der 38-Jährige.

In einem wegweisenden Urteil hatte der Internationale Sportgerichtshof CAS am Mittwoch im Streit um Testosteron-Grenzwerte für Frauen den Einspruch der 800-Meter-Olympiasiegerin von 2012 und 2016 abgelehnt. Damit kann die entsprechende IAAF-Regel, in der Testosteron-Limits für Mittelstreckenläuferinnen mit intersexuellen Anlagen festgesetzt werden, am 8. Mai in Kraft treten.

Fünf Tage vorher wird Semenya überraschend beim Diamond-League- Auftaktmeeting in Doha starten. Die Südafrikanerin hat erst heute für das 800-Meter-Rennen am Freitagabend (Start: 20.07 Uhr MESZ) nachgemeldet. In Top-Form hatte sie im Vorjahr sogar den Uralt-Weltrekord der Tschechin Jarmila Kratochvilova (1:53,28 Minuten) aus dem Jahr 1983 angegriffen. Ende Juni 2018 kam Semenya in Paris dieser Bestmarke in 1:54,25 Minuten am nächsten.

«Frauen mit intersexuellen Anlagen haben das gleiche Recht zur Würde und Kontrolle über ihren Körper wie andere Frauen», meinte Liesl Gerntholtz, stellvertretende Generaldirektorin von Human Rights Watch. Es sei «zutiefst enttäuschend zu sehen, wie der CAS Regeln aufrecht erhält, die den Standards internationaler Menschenrechte direkt zuwiderlaufen». Die Bestimmungen der IAAF seien «klischeehaft, stigmatisieren und diskriminieren» alle Frauen, betonte Gerntholtz.

«Furchtbar unfair» und «prinzipiell falsch» findet Tennislegende Martina Navratilova das Verdikt der drei Sportrichter. Semenya habe «nichts Falsches getan, und es ist schrecklich, dass sie nun Medikamente nehmen muss, damit sie an Wettkämpfen teilnehmen kann», beklagte die 62-Jährige. «Allgemeine Regeln sollten nicht aus ungewöhnlichen Fällen abgeleitet werden, und die Frage von intersexuellen Athleten bleibt ungelöst», sagte die Amerikanerin. Das südafrikanische Frauen-Ministerium fand noch drastischere Worte. Das Urteil habe einen «Beigeschmack von Sexismus und Rassismus», hiess es in einem Statement.

«Das Urteil des CAS wird der Realität menschlicher Diversität nicht gerecht», betonte Britta Dassler, sportpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, und forderte: «Der internationale Hochleistungssport darf sich vor Fragen von sexueller und geschlechtlicher Identität nicht verschliessen.»

Man sei «völlig geschockt darüber, wie eine Institution mit so hohem Ansehen wie der CAS eine Diskriminierung gutheissen kann, ohne mit der Wimper zu zucken», teilte der südafrikanische Verband (ASA) mit. Man werde «in Kürze» entscheiden, ob das Urteil angefochten wird oder nicht. Ein Einspruch gegen CAS-Urteile ist innerhalb von 30 Tagen vor dem Schweizer Bundesgericht möglich.

Marathon-Weltrekordlerin Paula Radcliffe aus Grossbritannien verteidigte dagegen das CAS-Urteil, «weil es festschreibt, dass der Frauensport Regeln benötigt, um ihn zu schützen».

Semenya muss nun ihren natürlichen Testosteron-Wert durch Medikamente senken, damit sie an der Leichtathletik-WM in Doha/Katar (27. September bis 6. Oktober) teilnehmen kann. Die neue Regelung umfasst Frauenrennen zwischen 400 Metern und einer Meile (1609 Meter). Semenya könnte auf längere Strecken ausweichen, kürzlich siegte sie bei den südafrikanischen Meisterschaften über die 5000 Meter.

Spekulationen über ein vorzeitiges Karriere-Ende gab es in dem endlosen Streit über ihren Fall ebenfalls schon. Doch Aufgeben ist keine Option für die dreimalige Weltmeisterin. «Die Entscheidung des CAS wird mich nicht aufhalten», versicherte sie nach dem Urteil, schickte am Donnerstag via Twitter aber einen Sinnspruch hinterher: «Weisheit ist es zu wissen, wann es Zeit ist aufzugeben. Das tun zu können, ist mutig. Mit erhobenem Haupt aufgeben ist würdevoll.» Auf dem dazu gestellten Foto berührt eine Frauenhand Stacheldraht.

Der südafrikanische «Daily Maverick», eine meinungsstarke und renommierte Webseite, betonte: Das Urteil sei «nicht nur eine Beleidigung Semenyas und ihrer harten Arbeit für das, was sie in ihre Erfolge investiert hat, sondern auch zutiefst sexistisch und widersprüchlich».

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