Reusser: «Ich bin sehr optimistisch, was meine Fähigkeiten angeht»
Marlen Reusser bestreitet erst seit Sommer 2017 Radrennen. Seit diesem Jahr ist die 28-jährige Bernerin, die im Zeitfahren zu den Besten der Welt gehört, Profi.
Das Wichtigste in Kürze
- Noch bis diesen Februar arbeitete Marlen Reusser zu 50 Prozent als chirurgische Assistenzärztin, seither setzt sie voll auf den Radrennsport.
Die Bernerin, die aus Kostengründen zurück zu ihren Eltern zog, fuhr heuer ohne Lohn für das sehr multikulturell besetzte Radteam des Weltverbands UCI.
Im Juni feierte Reusser, die diesjährige Schweizer Strassen- und Zeitfahr-Meisterin, ihre ersten (Zeitfahr-)Siege auf internationalem Niveau. Aufgrund eines Sturzes Ende Juli, bei welchem sie sich das Kreuzbein brach, war ihre WM-Vorbereitung beeinträchtigt. Für 2020 verfügt sie über zahlreiche Angebote von Profiteams.
Marlen Reusser, der Schweiz fehlte im neu eingeführten Mixed-Nationenzeitfahren gar nicht so viel, um bei der Medaillenvergabe mitzureden. Lässt dieser Wettkampf Rückschlüsse zu für das Einzelzeitfahren der Frauen?
«Nur bedingt, denn das Zeitfahren am Dienstag ist doch um einiges länger (rund 30 statt 14 km - Red.). Auch findet es auf einer anderen Strecke statt und man muss alleine fahren.»
Was halten Sie von diesem Mixed-Wettkampf?
«Ich finde es ein spannendes Format. Super finde ich, dass die Männer zuerst fuhren und wir Frauen erst danach an der Reihe waren. So erhielten wir sehr viel mehr Aufmerksamkeit als sonst.»
Sie haben im Sommer extrem gute Leistungen gezeigt. Danach aber verletzten Sie sich beim Zeitfahr-Training und mussten Sie einige Wochen mit Wettkämpfen aussetzen. Wie steht es um Ihre Form?
«Zum Glück verlief die Genesung gut und schnell, auch wenn ich manchmal noch Schmerzen verspüre. Den Formrückstand konnte ich mittlerweile hoffentlich beheben, sodass ich an der WM gut performen kann.»
Was haben Sie sich für das Einzelzeitfahren zum Ziel gesetzt?
«Die Verletzung, obwohl nicht so schlimm wie diejenige im Vorjahr (mehrfache Brüche am Becken und Rücken - Red.), war natürlich ein Rückschlag. Gelitten hat vor allem das spezifische Training, das es für den Wettkampf an einem solchen Grossanlass eigentlich braucht. Obwohl es nicht die optimale Vorbereitung war, bin ich aber optimistisch. Ich fühle mich gut im Schuss, doch eine Prognose kann ich nicht abgeben.»
Sie bestreiten in Harrogate auch das Strassenrennen über 150 km.
«Da gilt es für Elise (Chabbey, die zweite Schweizer Starterin) und mich intelligent mitzufahren und dann am Schluss zu schauen, was noch möglich ist. Sie ist mehr Strassenrennen gefahren als ich, deshalb traue ich ihr mehr zu als mir selbst.»
Sie kamen in diesem Jahr zu ihren ersten internationalen Siegen. So gewannen Sie überlegen Zeitfahr-Gold an den Europa-Spielen in Minsk. Wie zuversichtlich stimmt Sie das für den weiteren Verlauf Ihrer Rad-Karriere, welche Sie ja erst 2017 im Alter von fast 26 Jahren begannen?
«Ich war und bin immer sehr optimistisch, was meine Fähigkeiten betrifft. Wenn ich gesund bleibe, so ist wirklich viel möglich und kann ich weit vorne mitmischen. Ich muss einfach hoffen, dass ich nicht wieder blöd stürze. 2020 mit der WM im eigenen Land sowie den Olympischen Spielen kann für mich ein extrem spannendes Jahr werden.»
Wissen Sie schon, für welches World-Tour-Team Sie nächstes Jahr fahren werden?
«Noch nicht ganz. Ich habe viele Angebote erhalten, nun gilt es zusammen mit Marcello Albasini und Edi Telser das richtige auszuwählen.»