Favoritin gegen Halep: Williams vor Allzeit-Rekord
Das Wichtigste in Kürze
- Als Serena Williams zum ersten Mal in Wimbledon aufschlug, spielte Steffi Graf noch mit.
Als sie ihren ersten Titel feierte, war ihre diesjährige Final-Gegnerin Simona Halep zehn Jahre alt und gerade dem Grundschulalter entwachsen.
Mehr als zwei Jahrzehnte nach ihrem Debüt und 17 Jahre nach dem Premieren-Erfolg kann sich die Ausnahmesportlerin jetzt wieder zur Rasen-Queen krönen. Zwölf Monate nach dem verlorenen Endspiel gegen Angelique Kerber ist die junge Mutter die Favoritin auf dem heiligen Rasen.
Und auch wenn die manchmal divenhafte Amerikanerin mit dem Gegenteil kokettiert und die Relevanz der Zahl ihrer Grand-Slam-Titel herunterspielt - an diesem Samstag (15.00 Uhr MESZ/Sky) steht im Finale viel auf dem Spiel: Die langjährige Dominatorin im Damen-Tennis ist nur noch einen Sieg vom 24. Grand-Slam-Titel und dem Allzeit-Rekord der Australierin Margaret Court entfernt.
Sie sei ganz ruhig und entspannt, sagte Williams, die sich gerade leicht bekleidet ablichten lassen hatte und nach ihrem elften Finaleinzug in Wimbledon mit einem grauen Langarmshirt im klimatisierten Interviewraum sass. «Aber das kann sich bei mir von Tag zu Tag ändern. Ich bin weit davon entfernt, perfekt zu sein.»
Vor wenigen Wochen schien es eher ein vager Gedanke zu sein, dass die 37-Jährige hier in Wimbledon den nächsten Meilenstein schaffen kann. Und zugleich wirkt der schnelle Rasen in Wimbledon für die kraftvolle Aufschlagspezialistin als womöglich letzte Chance. Denn wie lange wird sie tatsächlich noch um die Welt touren?
Zuletzt war die siebenmalige Wimbledonsiegerin und Mutter der noch nicht ganz zweijährigen Alexis Olympia eher in der Rolle einer Gelegenheitsspielerin. Jetzt ist sie die älteste Finalistin bei einem Grand Slam in 51 Jahren Profi-Tennis, das Finale steigt 75 Tage vor ihrem 38. Geburtstag. «Ich hätte das definitiv vor einem Monat nicht vorhergesagt, aber hier bin ich», sagte die ehemalige Nummer eins.
Bei den French Open hatte Williams in der dritten Runde gegen ihre relativ unbekannte US-Kollegin Sofia Kenin in zwei Sätzen verloren. Im Frühjahr war sie wegen Knieschmerzen und einer Viruserkrankung kaum angetreten oder hatte aufgegeben. Dass sie mit wenig Matchpraxis nach London kam und zuvor nicht einmal ein Drittel so viele Matches wie Halep bestritt, thematisierte sie immer wieder selbst. Auch das Mixed mit Andy Murray half ihr, in Form zu kommen. «Sie ist nun seit drei Wochen schmerzfrei», sagte ihr Trainer Patrick Mouratoglou.
Und dennoch bleiben die Zweifel, die Aura hat gelitten. Zumindest mit ihren Worten demonstrierte auch Halep keine Angst vor der Altmeisterin und 23-maligen Grand-Slam-Gewinnerin. Die 27-Jährige, die die Jahre 2018 und 2017 als Nummer eins der Welt abschloss, sprach zwar davon, dass keine Worte genügen würden, um das Gefühl zu beschreiben, im Endspiel des berühmtesten Tennis-Turnier zu stehen. Sie sagte aber auch, dass ein Sieg gegen Williams noch «süsser» sei.
Als Mutter hat Williams noch keinen Titel gewonnen. Zweimal hat sie sich den Allzeit-Rekord schon vermasseln lassen. In Wimbledon war es 2018 Angelique Kerber, damals war die Geburt ihrer Tochter erst zehn Monate her. Im vergangenen September blieb die Japanerin Naomi Osaka trotz des Drama-Auftritts der Amerikanerin cool. Williams beschädigte mit ihren Beleidigungen und ihren Rassismus-Vorwürfen gegenüber dem Schiedsrichter ihrem Ruf als Ikone des Weltsports beträchtlich.
Auch Halep hat jetzt die Athletik und die Präzision in den Schlägen, um die Weltranglisten-Zehnte gewaltig zu ärgern. «Jetzt bin ich in einer anderen Situation. Ich bin ruhiger», sagte Williams. «Ich will es wirklich schaffen.» Die Zeit rennt ihr allmählich davon.