«Wir müssen ein Produkt kreieren, das wir verkaufen können»
Swiss-Ski-Präsident Urs Lehmann spricht im Interview mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA über die WM, die «Affäre Janka», die Swiss-Ski-Strukturen und die Nummer-2-Position hinter Österreich.
Das Wichtigste in Kürze
- Urs Lehmann, an der Heim-WM in St.
Moritz und bei den Olympischen Spielen in Pyeongchang hatte es für Swiss-Ski sieben Medaillen gegeben. In Are gewann die Schweiz vier. Sind Sie damit zufrieden?
«Ja. Auch wenn wir nicht ganz auf dem Niveau der letzten zwei Grossanlässe sind. Leider haben wir in den Slaloms gute Chancen auf weitere Medaillen nicht genutzt. Wir stehen im Medaillenspiegel zuvorderst. Was wir in Are erreicht haben, ist also gut.»
Wenn man die Sache differenzierter betrachtet, dann war das Frauen-Team mit drei Medaillen über Erwarten gut.
«Ich mag es den Frauen gönnen. Lange Zeit hatte es ja ausser bei Lara (Gut-Behrami) mit den Medaillen nicht so geklappt. In Are hat einerseits Wendy (Holdener) trotz ihres Ausfalls im Slalom geliefert, andrerseits ist Corinne Suters Geschichte sensationell. Und der Team-Wettkampf war vom emotionalen Standpunkt her top.»
Hätten Sie gedacht, dass die Schweizer Männer ohne Medaille heimkommen?
«Also mit Ramon Zenhäusern und Daniel Yule gibt es dank des Team-Wettkampfs schon solche, die eine Medaille um den Hals haben.»
Dann läuft im Männerteam von Cheftrainer Thomas Stauffer alles so, wie Sie es sich erhoffen?
«Eines vorneweg: Die Männer hatten in dieser Weltcup-Saison schöne Erfolge. Gerade zu Saisonbeginn in den USA gab es viel zu jubeln, haben viele Athleten geliefert.»
In den letzten paar Wochen wurde dieses Niveau aber nicht gehalten.
«Die Formkurve zeigte leider nach unten. Wir werden selbstverständlich alles analysieren und dann dort, wo es angebracht ist, Verbesserungen vornehmen. Dazu kam bei den Männern ein gewisses Verletzungs- und Wettkampfpech. So wurde Beat (Feuz) in der auf eine Minute verkürzten Abfahrt Vierter. Auch im Riesenslalom gab es durch Loïc (Meillard) einen vierten Platz, im Slalom wurde Ramon (Zenhäusern) Fünfter.»
Carlo Janka sprach davon, dass es im Speed-Team der Männer keine Emotionen gebe und die Stimmung 'tot' sei. Was sagen Sie dazu?
«Die Art und Weise, wie das lief, missbillige ich. Der Zeitpunkt war unglücklich gewählt, zudem hätte Carlo sich zuerst intern äussern müssen.»
Damit ist die Sache abgehakt?
«Wir werden uns mit ihm unterhalten. Natürlich nehmen wir die Aussagen von Carlo und auch allen anderen Athleten sehr seriös. Schliesslich wollen wir uns verbessern.»
Die Kombination bleibt nun doch im Weltcup-Kalender und WM-Programm. Sie gehörten und gehören zu den Unterstützern - und sind entsprechend zufrieden?
«Es war für mich der einzig richtige Entscheid, den man zum jetzigen Zeitpunkt treffen konnte. Ob es die Kombination in fünf Jahren auch noch geben wird, weiss ich nicht. Mein Votum war immer, dass wir nicht ein Produkt abschaffen, bevor wir nicht etwas Besseres als Ersatz haben. Das Parallel-Format ist noch nicht ausgereift.»
Was ist Ihr Anliegen?
«Den Sport vorwärts zu bringen. Wir müssen ein Produkt kreieren, das wir verkaufen können. Das hat aber in den letzten Jahren nicht stattgefunden, deshalb kann ich es auch nicht billigen.»
Sie bilden nun zusammen mit dem ÖSV-Präsidenten Peter Schröcksnadel und vier weiteren Personen aus dem FIS-Vorstand eine Arbeitsgruppe. Diese soll sich mit dem Format der Kombination, der Parallel-Rennen und auch mit den Strategien für den Weltcup-Kalender befassen. Das kommt einer Entmachtung des Alpin-Komitees gleich.
«Ich verhehle nicht, dass das Alpin-Komitee nicht geliefert hat. Ich habe seit Monaten lobbyiert, das scheint nun langsam Früchte zu tragen. In dieser Arbeitsgruppe werden wir über alles reden. Wir müssen Schritt für Schritt vorgehen, dann können wir den Skisport in die richtige Richtung entwickeln.»
Im Weltcup stehen die nächsten vier Wochen noch Rennen an. Bereits jetzt ist klar, dass die Schweiz in der Nationenwertung höchstens die Nummer zwei sein wird. Der Abstand zu Österreich hat sich deutlich vergrössert. Das kann Ihnen nicht gefallen.
«Das ist so. Zugleich haben wir aber unsere Nummer-zwei-Position zementiert. Aber natürlich orientieren wir uns nach vorne. Deshalb muss es uns zu denken geben, dass die Österreicher wieder weggezogen sind. Das liegt vor allem auch daran, dass sie mehr Fahrer für die Positionen zehn bis fünfundzwanzig haben. Wir sind gefordert und müssen unsere Strukturen flexibler, breiter und offener gestalten. Die wunderbare Geschichte von Andrea Ellenberger zeigt dies. Nun sollten es alle begriffen haben.»