Auch Frauen ziehen aus dem Patriarchat einen Nutzen. Journalistin Sophia Fritz nennt das Verhalten «toxische Weiblichkeit» – und will davon befreien.
Frauen
Auch Weiblichkeit kann toxisch sein – allerdings ist das Phänomen ein anderes als das der toxischen Männlichkeit. (Symbolbild) - pexels

Das Wichtigste in Kürze

  • «Toxische Männlichkeit» ist mittlerweile ein gängiger Begriff.
  • Die Frage, wie Frauen «toxisches» Verhalten an den Tag legen, wurde lange nicht gestellt.
  • Journalistin Sophia Fritz hat das mit ihrem neuen Buch geändert.
  • Das feministische Projekt stösst online sowohl auf Hass als auf Unterstützung.
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Dass die Männlichkeit «toxisch» sein kann, ist mittlerweile Allgemeinwissen. Der Begriff beschreibt Verhaltensmuster, die in patriarchalen Rollenbildern wurzeln. Beispiele: Die Unfähigkeit, Hilfe anzunehmen, das Bedürfnis, anderen die Welt zu erklären, die Tendenz, Konflikte mit Gewalt zu lösen.

Nun versucht ein neues Buch von Journalistin Sophia Fritz, die «toxische Weiblichkeit» feministisch zu besetzen. Denn auch Frauen tragen ihren Teil bei und untergraben die angestrebte Gleichberechtigung, sagt die deutsche Autorin.

Das sieht dann so aus: Frauen lästern über andere Frauen. Grenzen sie wegen ihres Aussehens oder Gewicht aus. Sie gönnen ihnen ihren Erfolg nicht, arbeiten sogar gegen sie. Dank internalisierter Misogynie – also Frauenfeindlichkeit, die man unbewusst übernommen hat.

Heisst: Frauen sind punkto Sexismus nicht nur Opfer, sondern auch Mittäterinnen.

Debatte soll nicht «frauenhassenden Männer» überlassen werden

Genau das greift Fritz in ihrem Buch auf. Sie beschreibt, wie auch Frauen aus patriarchalen Strukturen einen Nutzen ziehen. Anhand Erlebnissen auf ihrem eigenen Leben und aus ihrem Leben.

Denn sie will die Debatte zu toxischer Weiblichkeit selbstverantwortlich führen. Und nicht «frauenhassenden Männer» überlassen, sagt sie in mehreren Interviews. Fritz ist nämlich bewusst, dass der Begriff «toxische Weiblichkeit» bereits in anti-feministischen Kreisen auf Social Media existiert. So würden frauenfeindliche Glaubenssätze zurzeit viel Aufwind erfahren.

Diese haben aber nichts mit ihrer Botschaft zu tun. Sie spricht von der Unfähigkeit, auf Augenhöhe miteinander umzugehen. Indem sich Frauen und Männer über oder unter einander verorten.

Dabei ist ein wichtiger Unterschied zwischen toxischer Männlich- und Weiblichkeit, dass Letztere in erster Linie nach innen gerichtet ist. Und für das Umfeld nicht gefährlich. Toxische Weiblichkeit ist nicht von Dominanz, Macht oder Aggressivität geprägt.

Ungesunde Züge der klassischen Weiblichkeit

Dennoch lohnt es sich, sich als Frau Gedanken zu machen, welche traditionell «weiblichen» Eigenschaften bei einem ungesunde Züge annehmen. Dazu gehört zum Beispiel, stets freundlich zu bleiben. Immer perfekt aussehen zu müssen. Oder die eigenen Bedürfnisse hinter die der anderen zu stellen.

Nur ist nicht jeder bereit, Fritz' Botschaft zu hören. Die Meinungen zu ihrem Buch «Toxische Weiblichkeit» sind auf Social Media gespalten.

Toxische Weiblichkeit
In den sozialen Medien erhielt das Buch zahlreiche Rezensionen – manche positiv, manche negativ.
Toxische Weiblichkeit
Vor allem Frauen scheinen Sophia Fritzs Botschaft zu feiern.
Toxische Weiblichkeit
Sie sehen sich im Buch widergespiegelt. Auch wenn nicht immer gewollt.
Toxische Weiblichkeit
Andere Instagram-User sind mit der Autorin – und ihren Worten – allerdings nicht zufrieden.
Toxische Weiblichkeit
Manche denken, sie sei Teil des Problems.
Toxische Weiblichkeit
Während andere das Ziel völlig verfehlt haben und die Veröffentlichung der Bücher einfach als Vorwand genommen haben, um sich über Frauen lustig zu machen.
Toxische Weiblichkeit
Worin manche Kommentare direkter als andere sind.

Feministische Bloggerinnen und Blogger wie die Gründerin von der Seite «The Female Reader» feiern Fritz' Ehrlichkeit. «Vieles davon wird man wahrscheinlich wieder erkennen. Was deutlich zeigt, wie wichtig es ist, darüber zu sprechen. Und wie dringend wir ein Umdenken brauchen», schreibt sie auf Instagram.

«Das Buch ist nicht leicht zu lesen und fordert sehr. Denn zu akzeptieren, dass man selbst toxisches Verhalten verinnerlicht haben könnte, ist nicht leicht. Aber der erste Schritt zu akzeptieren, wenn man etwas ändern möchte.»

Unter Beiträgen von Autorin Fritz schreiben andere Frauen Kommentare wie: «Ein ganz hervorragendes Buch!», «Sehr wichtiger Inhalt in unserer schnelllebigen Zeit.» Einer Frau hätte sogar ihr Therapeut das Buch empfohlen. «So was von den Nerv getroffen», schreibt sie.

«Männerbashing vom feinsten», schreiben Verärgerte

Andere sind verärgert.

«Alter Schwede, diesen Blödsinn kannst nicht erfinden», schreibt einer. Und bekommt über 150 Likes. «Geistiger Durchfall», meint ein anderer. Und einer: «Männerbashing vom Feinsten.»

Ein weiterer Mann argumentiert: «So etwas spaltet Männer und Frauen nur noch mehr. Wir sind alle Menschen und wir haben uns alle schon mal toxisch verhalten, mal mehr, mal weniger.»

Ist Ihnen «toxische Weiblichkeit» im Alltag auch schon aufgefallen?

Manche scheinen den Begriff aber schlicht missverstanden zu haben. Möglicherweise mit Absicht. Denn statt darüber zu sprechen, was toxische Weiblichkeit wirklich ist, schiessen sie gegen angeblich «toxische» Frauen.

So schreibt ein User: «Ich rede aus persönlicher Erfahrung, aber fast alle Frauen, die ich kennengelernt habe, waren toxischer als Männer. Ich bin glücklich, dass endlich jemand darüber schreibt.»

Für Fritz geht es eben darum, wie als Gesellschaft gegen diese Normen vorgegangen werden kann. Nicht nur Fehler bei sich zu suchen.

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