Wie könnte Widnau im Jahr 2050 aussehen?
Mit einer ganztägigen Arbeitsklausur hat der Gemeinderat Widnau die Überarbeitung der Ortsplanung eingeleitet.
«Wie sieht Widnau im Jahr 2050 aus?» Der Gemeinderat diskutierte diese Frage an unterschiedlichen Standorten unter der Leitung der beiden Raumplanerinnen Marilene Holzhauser und Sandra Perler von der ERR Raumplaner AG, St. Gallen. Die Zeitdimension von rund 30 Jahren kommt nicht von ungefähr, wie Gemeindepräsidentin Christa Köppel erklärt. Der Zeitraum, für den ein Zonenplan Gültigkeit haben soll, betrage 15 Jahre, die Zielperspektive für den kommunalen Richtplan sei 30 Jahre. «Diese langfristigen Planungshorizonte setzen eine gemeinsame Reflexion und die Verständigung über die zukunftsorientierten Schwerpunktthemen und Megatrends voraus.»
Einkaufen als Erlebnis ist auch in 30 Jahren noch gefragt
Im Geschäftshaus Mariposa stand das Thema Einkaufen auf der Traktandenliste. Wird es in 30 Jahren noch Läden geben oder wird dann alles online abgewickelt? Kommt es vielleicht gar zur Rückbesinnung auf den spezialisierten Kleinhandel? Notwendiges werde künftig mehrheitlich online bestellt, darüber war sich der Gemeinderat weitgehend einig. Einkaufen als Erlebnis dagegen sei auch in 30 Jahren noch gefragt. Als Ort für aktuelle und künftige Einkaufserlebnisse wurde die Einkaufsmeile an der Bahnhofstrasse identifiziert. Für die Zukunft noch mehr als heute sei es Ziel, die Bahnhofstrasse attraktiv zu gestalten und zum Flanieren zu animieren. Frequenz, Dichte und Vielfalt sind die Voraussetzungen für einen lebendigen Detailhandel.
Wohnen und Freizeit – Aussenräume werden wichtiger
Übers Wohnen diskutierte der Gemeinderat in einer Neubauwohnung an der Feldstrasse 7. Die Mobilität nimmt in Zukunft noch mehr zu. Je nach Lebensphase wird man in einer kleineren oder grösseren Wohnung leben. Auch attraktive Wohnangebote für Arbeitnehmende, die nur eine befristete Zeit hier vor Ort leben, sind zunehmend gefragt. Gleichzeitig mit der ausgeprägten Individualisierung wächst das Bedürfnis nach Gemeinschaft ausserhalb der Familie. Die Bedeutung der Aussenräume wird steigen. Man spricht von «Mediterranisierung». Balkone, Terrassen und Strassencafés, multifunktionale Plätze sind beliebte Aufenthaltsorte. Auch in der Freizeit ist ein breites, flexibles Angebot wichtig. Etablierte Strukturen werden durch unverbindliche Netzwerke abgelöst. Jeder und jede sucht sich ein massgeschneidertes Angebot. Freizeit und Erholungsräume im Dorf und in der Umgebung sind mit attraktiven Fuss- und Radwegnetzen optimal erschlossen.
Arbeiten – die Digitalisierung bringt die Produktion zurück
Während das Thema Freizeit im Pavillon der Kunsteisbahn diskutiert wurde, beleuchtete der Gemeinderat das Thema Wirtschaft und Arbeit im Black Office im Viscosepark. Mit seiner Vielfalt an grossen und kleinen Firmen aus unterschiedlichen Branchen ist das ehemalige Fabrikareal der Viscose ein interessanter Ort für Innovation und Kreativität. In Zukunft werden nebst etablierten Unternehmen auch Coworking Spaces bereitstehen, in denen sich mehrere Freiberufler die Arbeitsräume teilen. Selbständigerwerbende und Freelancer schätzen den Austausch und das branchenübergreifende Arbeiten, das an den Schulen schon heute gefördert wird. Einig ist sich der Gemeinderat, dass die Deindustrialisierung in der Schweizer Wirtschaft nicht weiter zunehmen wird. Er erkennt gegenläufige Tendenzen: Durch die Digitalisierung und Automatisation werde künftig wieder dort produziert, wo die Infrastruktur optimal, die Arbeitskräfte gut qualifiziert und die politische Lage stabil sind. Der Nutzflächenbedarf für die neue, digitalisierte Industrie werde kleiner, die Produktionsanlagen kompakter sein. Der haushälterische Umgang mit dem Boden ist nicht nur im Wohnungsbau, sondern auch im Industrie- und Gewerbebau angesagt.
Arbeitsprozess und Dialog
Nach der Arbeitsklausur vom Dezember und dem Blick in die Zukunft beginnt der Ortsplanungsprozess. In einer Kerngruppe wird die Gesamtstrategie für die Aspekte Siedlung, Freiraum und Verkehr erarbeitet. Ein interdisziplinärer Fachrat wird die Ergebnisse prüfen, Baukommission und Gemeinderat sie anschliessend diskutieren und verabschieden. Die Einwohnerinnen und Einwohner werden in unterschiedlicher Form laufend über den Stand der Arbeiten orientiert und zum Dialog eingeladen, sei es mit dem Fokus, in Forumsveranstaltungen oder zielgruppenorientierten Diskussionsrunden.