Wenn der Gast zum Hoteltester wird
Im Internet kann heute fast alles bewertet werden, vor allem aber Hotels und Restaurants. Was halten eigentlich Schweizer Hoteliers von Tripadvisor und Co.?
Das Wichtigste in Kürze
- Gästebewertungen werden bei der Auswahl der Unterkunft immer wichtiger, vor allem im Freizeit- und Ferienbereich.
- Viele Hotels bewirtschaften Bewertungsplattformen aktiv. Nicht alle Hoteliers gehen mit den Rückmeldungen gleich um.
Wer im Fünfsterne-Hotel Lenkerhof an der Lenk im Simmental abgestiegen ist, wird nach der Abreise um eine Beurteilung gebeten: «Früher haben wir beim Check-out eine Karte abgegeben, die auf die Bewertungsplattformen hinweist», sagt Direktor Jan Stiller. «Heute senden wir ein E-Mail, mit dem wir den Gast auf kommende Angebot aufmerksam machen. Dort erbitten wir auch ein Feedback über unseren Online-Fragebogen.» Auch bei seiner Gruppe werde dies so gehandhabt, sagt Thomas Kleber, der für die 17 Sorell-Hotels in Schweizer Städten verantwortlich ist: «Zum einen bitten wir die Gäste im persönlichen Gespräch, uns zu bewerten. Zum anderen erhält jeder Gast, von dem wir eine E-Mail Adresse besitzen, ein Dankesmail mit der Bitte um Feedback und Bewertung.»
Gästebewertungen werden bei der Auswahl der Unterkunft immer wichtiger, «vor allem im Freizeit- und Ferienbereich», sagt Markus Conzelmann, Direktor des Viersternehauses Radisson Blu beim Bahnhof Luzern. Sein Kollege Daniel Twerenbold, Direktor des Radisson Blu im Flughafen Zürich, der als District Director gleichzeitig für die weiteren Schweizer Radisson Blu Hotels sowie für die Park Inn by Radisson zuständig ist, stimmt dem zu: «Authentische Gästebewertungen sind von grosser Bedeutung, und je besser die Bewertungen sind, desto mehr sind Gäste auch bereit, für eine Leistung Geld auszugeben.»
Wie authentisch sind die Bewertungen?
Viele Hotels bewirtschaften Bewertungsplattformen aktiv. Der Gast habe «ein Anrecht auf eine Antwort», findet Jan Stiller. Alle Einträge auf Portalen würden innert 48 Stunden beantwortet. Und welche Konsequenzen ziehen die Hoteliers aus Bewertungen? «Wir nehmen jede Kritik ernst und besprechen sie mit den jeweiligen Abteilungen», sagt Markus Conzelmann: «Wir filtern heraus, ob wir einen Prozess ändern müssen, oder wo was schiefgelaufen ist. Auf alle Fälle aber beantworten wir jede Kritik ob schlecht oder gut, wenn das System es zulässt und wir die Sprache verstehen.» «Wir beantworten alle Einträge», sagt auch Thomas Kleber. «Wenn uns ein Fehler passiert ist, entschuldigen wir uns. Wir weisen aber wenn nötig auch auf Fehler hin, die ein Kommentator gemacht hat, ohne dabei rechthaberisch zu sein.»
Zwei Fragen stehen im Raum: Sind alle Bewertungen authentisch, oder wird getrickst? Und wie kann man aus dem Wust von Meinungen jene herauslesen, die relevant sind? Es gebe tatsächlich Firmen, welche gegen Bezahlung positive Berichte in Bewertungsplattformen platzierten, sagen mehrere Hoteliers. Zwar behaupten diese, sie setzten Algorithmen ein, welche falsifizierte Beiträge entdeckten. Doch verdienen sie insgesamt mehrere Milliarden Franken im Jahr mit Werbung. Dieses Geschäft, meinen Kritiker, wollten sich die Plattform nicht mit allzu pingeligen Kontrollen vermiesen.
Und dann sind Bewertungen «immer eine Momentaufnahme eines Gastes und spiegeln dessen Bedürfnisse und Erwartungen an das besuchte Hotel», sagt Vera Schäfer, die Direktorin des Hotels Kettenbrücke in Aarau. Die individuelle Beurteilung eines Hauses könne deshalb stark schwanken. «Man erlebt immer wieder, dass für das gleiche Hotel oder Restaurant sehr unterschiedliche Bewertungen abgeben werden», bestätigt Thomas Kleber. Tatsächlich liegen Beurteilungen oft sehr weit auseinander. Nehmen wir als Beispiel jenes Hotel in Luzern, das bei Tripadvisor am schlechtesten bewertet wird: Ein Gast schreibt, es sei «sehr schmuddelig. Dusche schimmelig und die Betten waren auch mit Flecken/Löchern. Katastrophal.» Ein anderer jedoch hält es für «das ultimative Hotel für Junge und Junggebliebene».
Trotzdem findet Thomas Kleber die Bewertungen «für Gäste hilfreich. Je mehr Bewertungen man erhält, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Durchschnittswert realistisch ist.» Wer die Plattformen nutzt, sollte auch darauf achten, wer die Bewertung geschrieben hat, meint Markus Conzelmann: «Es gibt Autoren, die sachlich nüchtern bewerten, andere eher emotional. Dann gibt es Sachverständige, welche unzählige Übernachtungen in Hotels verbringen, und Leute, die vielleicht einmal im Jahr an einem Seminar teilnehmen dürfen.»
Gäste besser direkt ansprechen
Wie wichtig die Bewertungs- und Buchungsplattformen geworden sind, erweist sich daran, dass viele der angefragten Hoteliers diese auch privat nutzen. Vera Schäfer von der Aarauer Kettenbrücke sagt: «Ich vergleiche immer und lese die Kommentare, jedoch schaue ich auch immer genau, was das Hotel auf seiner Homepage anbietet, weil nur dort die präzisen und aktuellen Informationen vorhanden sind.» Wie man es am besten anstellt, verrät Sorell-Chef Kleber: «Ich nutze Bewertungsplattformen, um mich zu informieren, aber auch zum Bewerten. Meine Reservierung platziere ich aber immer direkt beim Hotel oder auf dessen Webseite.»
Allerdings sollen Bewertungen im Internet das direkte Gespräch mit dem Gast keinesfalls ersetzen. Vera Schäfer: «Wir versuchen, den Gast direkt anzusprechen, seine Wünsche oder sein Ärgernis zu verstehen und ihm entgegenzukommen.» Und Jan Stiller meint: «Im persönlichen Gespräch lassen sich nicht nur negative Kommentare schnell bereinigen, auch so manches Missverständnis kann geklärt werden.»