Streit um Visa: Berlin und Paris wollen Russen reisen lassen
Im Streit über mögliche Einreisebeschränkungen für russische Touristen werben Deutschland und Frankreich für Zurückhaltung.
Das Wichtigste in Kürze
- Deutschland und Frankreich wollen russische Touristen weiter reisen lassen.
- Hautnah Demokratien zu erleben könne eine «transformative Kraft» entfalten, so die Länder.
- Auch Österreich hat sich gegen ein generelles Einreiseverbot ausgesprochen.
Deutschland und Frankreich sprechen sich gemeinsam gegen ein weitgehendes Einreiseverbot für russische Staatsbürger in die EU aus. «Wir sollten über kluge Wege nachdenken, um den wichtigen Hebel der Visaerteilung zu nutzen», heisst es in einem an die anderen Mitgliedstaaten verschickten Positionspapier zum Aussenministertreffen an diesem Dienstag und Mittwoch in Prag. Anträge russischer Staatsangehöriger sollten auf mögliche Sicherheitsrisiken genau geprüft werden. Gleichzeitig gelte, dass man den Einfluss, der von der unmittelbaren Erfahrung des Lebens in Demokratien ausgehen kann, nicht unterschätzen sollte. Dies beziehe sich insbesondere auf künftige Generationen.
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Sollten Russen nicht mehr nach Europa reisen dürfen?
«Unsere Visapolitik sollte dies widerspiegeln und weiterhin in der EU zwischenmenschliche Kontakte zu russischen Staatsangehörigen ermöglichen, die nicht mit der russischen Regierung in Verbindung stehen», heisst es in dem Papier, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Man wolle daher einen Rechtsrahmen beibehalten, der insbesondere Studenten, Künstlern, Wissenschaftlern, Fachkräften die Einreise in die EU ermögliche - unabhängig davon, ob ihnen eine politisch Verfolgung drohen könnte.
Warnung vor «Rally around the flag»-Effekten
Vor weitreichenden Einschränkungen der Visapolitik warne man. Es gelte zu verhindern, dass das russische Narrativ gefüttert werde und dass es zu einer Entfremdung zukünftiger Generation komme. Zudem könnte es demnach zu sogenannten «Rally around the flag»-Effekten kommen. Darunter wird verstanden, dass Bürger teilweise dazu neigen, sich bei Angriffen und Provokationen von aussen geeint hinter ihre Führung zu stellen.
Hintergrund der deutschen-französischen Positionierung ist die seit Tagen anhaltende Diskussion darüber, ob verhindert werden sollte, dass Russen für Einkaufstouren und Urlaube in die EU reisen, während in der Ukraine Tausende Menschen wegen des Krieges sterben.
Kosten und Aufwand für Visa-Anträge könnten erhöht werden
Als wahrscheinlich galt zuletzt, dass in einem ersten Schritt das noch bestehende Abkommen mit Russland zur Erleichterung der Ausstellung von Visa vollständig ausgesetzt wird. Dieser Schritt würde die Kosten und den Aufwand für Antragsteller deutlich erhöhen und er könnte es EU-Staaten erlauben, die Visa-Vergabe für den Schengen-Raum deutlich einzuschränken. Bislang wurde das Abkommen nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine offiziell nur für Geschäftsleute, Regierungsvertreter und Diplomaten ausser Kraft gesetzt.
Länder wie Tschechien haben die Vergabe von neuen Visa an russische Staatsbürger schon seit längerem eigenmächtig weitgehend eingestellt. Dort gibt es nur sehr wenige Ausnahmen wie zum Beispiel für politisch Verfolgte oder enge Familienangehörige von EU-Bürgern. «Wir sind davon überzeugt, dass man ein klares Signal an die russische Gesellschaft aussenden muss», sagte der tschechische Ministerpräsident Petr Fiala zu dem Thema nach einem Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz.
Wie Deutschland und Frankreich sieht allerdings auch Österreich die Sache anders. «Wir dürfen nicht das Kind mit dem Bade ausschütten, ein pauschales Verbot von Visa für russische Staatsangehörige würde die letzten Kontakte mit der russischen Zivilgesellschaft gänzlich kappen», sagte Aussenminister Alexander Schallenberg der «Welt» vor dem Beginn des Treffens mit seinen EU-Kollegen.