Taxi Queens in Südafrika
Viele arme junge Mädchen in Südafrika sind sogenannte Taxi-Queens. Sie bekommen Freifahrten und Geschenke, der Preis ist Sex mit den älteren Fahrern.
Das Wichtigste in Kürze
- In Südafrika müssen Mädchen oftmals mit Sex für Taxi-Fahrten zahlen.
- Das Phänomen «Taxi-Queen» ist einer der Gründe, weswegen es in Südafrika so viele Teenager-Schwangerschaften gibt.
- Der Tauschhandel «Sex gegen Geschenke oder Geld» ist in ärmeren Vierteln nicht unüblich.
Der Fahrer eines Minibusses in Südafrika sucht sich ein hübsches Mädchen aus, das er zu seiner «Taxi-Queen» kürt. Das Mädchen darf umsonst mitfahren und kriegt vielleicht auch kleine Geschenke. Doch im Gegenzug will der Fahrer meist sexuelle Handlungen von seiner «Königin» – ein Blowjob im Auto oder Geschlechtsverkehr nach Feierabend. «Ich bekomme alle Mädchen. Die meisten sind um die 16, aber manche sind auch jünger», prahlt Trust Mboa, ein 31-jähriger Fahrer aus dem Armenviertel Alexandra in Johannesburg.
Gerade hat er mit seinem Minibus, der hier «Taxi» genannt wird, Kinder aus der Schule abgeholt - vorne ein Mädchen. «Ich habe oft Taxi-Queens. Die machen doch alles für eine freie Fahrt und ein paar nette Worte», sagt er und lacht hämisch. Er wolle natürlich keine Beziehung mit seinen Königinnen. «Ich will einfach nur Sex. Der Rest ist mir egal.» Manchmal müsse er die Mädchen schon «überzeugen», räumt er ein. Die Fahrer um ihn herum lachen und nicken zustimmend. Wer sich weigert, wird oft mit Gewalt oder Drogen gezwungen.
Das Phänomen der «Taxi-Queens» ist einer der Gründe, wieso sich in Südafrika jeden Tag fast 300 junge Frauen im Alter von 15 bis 24 neu mit HIV anstecken. Häufig beginnt ein Verhältnis mit einem der Fahrer für die aus armen Familien stammenden Mädchen als Tauschgeschäft: Sex gegen Freifahrten und kleine Geschenke. Doch dann werden die Mädchen oft schnell zu Opfern der ungleichen Beziehung. Häufig bestehen die älteren und wohlhabenderen Fahrer auf riskantem Sex ohne Kondome. Immer wieder kommt es auch zu brutaler sexueller Gewalt.
«Das Ganze geht los, wenn die Mädchen zehn sind»
«Das Ganze geht los, wenn die Mädchen zehn sind», erklärt Forscherin Anna Strebel von der Universität Kapstadt. Die Minibusse sind kaum zu umgehen, denn sie ersetzen in den ärmeren Vierteln, wo vor allem schwarze Südafrikaner leben, sowohl öffentliche Verkehrsmittel als auch Schulbusse. Die Fahrer seien in der Regel zwischen 20 und 30 Jahre alt. Durch den grossen Altersunterschied und die körperliche und wirtschaftliche Überlegenheit der Männer seien die Mädchen oft schutzlos, so Strebel.
Für eine Studie hat sie «Taxi-Queens» befragt. Sie sei überrascht gewesen, wie weit verbreitet das Phänomen sei. Das Prinzip ist einfach: Die «Königin» fühlt sich geehrt, weil sie vorne sitzen darf und der Fahrer nett zu ihr ist – erst flirtet er, dann berührt er sie. Dann will er noch mehr. Manche Mädchen lassen sich darauf ein, um sich dank der Geschenke der Fahrer etwa bessere Kleidung leisten zu können. Doch viele ärmere Mädchen hofften einfach, mit den kleinen Geschenken durch den Monat zu kommen.
Arme Eltern billigen die Beziehungen oft, weil sie der Familie Geld sparen. Rund 30 Millionen Südafrikaner - etwa 55 Prozent der Bevölkerung - leben der Regierung zufolge in Armut. Sie haben im Monat weniger als umgerechnet 70 Euro zur Verfügung. Zwei Drittel aller Kinder wachsen in Armut auf. Zudem schritten Eltern häufig nicht ein, weil sie Angst vor den Fahrern hätten, erklärt Strebel. Jeder wisse, dass sie oft Waffen trügen und Drogen verkauften.
Die Fahrer nutzen die Kinder aus: «Sie sind auf das Geld der Fahrer angewiesen. Deswegen wehren sich die Mädchen oft nicht gegen den Sex», sagt Elisabeth Mokoena, Sozialarbeiterin und Leiterin der psychotherapeutischen Kinderklinik in Alexandra. «Sie sehen es nicht als Vergewaltigung.» Die Probleme würden erst dann richtig gross, wenn die Mädchen schwanger würden und ganz alleine dastünden.
Viele Teenager-Schwangerschaften
Das Phänomen «Taxi-Queen» ist auch einer der Gründe, weswegen es in Südafrika so viele Teenager-Schwangerschaften gibt. Mehr als 15 Prozent der Mädchen haben vor Vollendung des 19. Lebensjahres bereits ein oder mehrere Kinder, wie Zahlen der Statistikbehörde zeigen. Zum Vergleich: In Deutschland haben laut Statistischem Bundesamt in dieser Altersgruppe weniger als zwei Prozent der Mädchen Kinder.
Im Viertel Alexandra im Norden Johannesburgs reiht sich Hütte an Hütte, es gehört zu den am dichtesten besiedelten in Südafrika. Das meist «Alex» genannte Viertel ist von Gewalt und Kriminalität geplagt. Nur eine Autobahn trennt es vom reichen Finanzzentrum Sandton. Doch die wohlhabenden weissen Südafrikaner bleiben auf ihrer Seite, selbst mit dem Auto fahren sie nicht durch «Alex».
Am quirligen Taxistand von Alexandra stehen jetzt die Freundinnen Tshepong Letsoqo und Dineo Motimele, beide 17. Sie sagen, dass sie sich niemals auf einen Fahrer einlassen würden. «Manchmal sind wir aber schon neidisch, weil die Taxi-Queens in unserer Klasse immer schönen Schmuck und teure Klamotten haben», räumt Tshepong ein. Dineo ist fleissig in der Schule, sie will später einen guten Job haben. «Vielleicht schaffen wir es dann selbst nach Sandton», hofft sie.
Taxifahrer Howard, 41, möchte nur seinen Vornamen nennen. Zum einen, weil Sex mit Mädchen unter 16 Jahren verboten ist, zum anderen, weil das Taxi-Geschäft in den Händen von Gangs ist. Viele haben mit Drogen zu tun, oft gibt es Schiessereien unter rivalisierenden Banden. Howard erzählt von den Methoden der Fahrer: «Der Trick ist, sie Tik-süchtig zu machen», sagt er. Tik ist ein Methamphetamin, ähnlich wie Crystal Meth. Da Fahrer es verkauften, hätten sie immer etwas dabei. «Sind die Mädchen erst einmal süchtig, kannst du sie jeden Tag haben.» Er schätzt, dass er in drei Jahren Sex mit rund 1000 Mädchen hatte.
Jährlich 40'000 Fälle von Vergewaltigung
Südafrikas patriarchalische Kultur und die damit einhergehende Toleranz für sexuelle Gewalt ist einer der Gründe, wieso das Phänomen der «Taxi-Queens» so verbreitet ist. Laut Polizeistatistik gibt es jährlich etwa 40'000 Fälle von Vergewaltigung, etwa 110 pro Tag. Die Dunkelziffer liegt noch höher. «Wenn der Taxi-Fahrer Sex einfordert, machen die Mädchen mit», sagt der Direktor der Kinderrechtsstiftung Molo Songololo, Patrik Solomons. «Selbst wenn die Fahrer sehr gewalttätig sind, beschweren sich die Mädchen nicht.»
Der Tauschhandel «Sex gegen Geschenke oder Geld»» ist in ärmeren Vierteln zudem nicht unüblich. Viele junge Frauen haben sogenannte «sugar daddies» oder «blesser» - das sind ältere Männer, die für Sex und andere Gefälligkeiten zahlen. «Es beginnt als ein Tauschgeschäft, die Begleitung junger Frauen gegen sexuelle Handlungen», schildert Unicef-Expertin Mayke Huijbregts. «Aber dann entsteht eine Abhängigkeit: Die älteren Männer zahlen, dafür wollen sie meist Sex ohne Kondom», erklärt Huijbregts. «Dann muss ein Mädchen ihren Körper opfern. Sie verliert ihre Seele und ihre Würde.»
Das Phänomen sei einer der Gründe, wieso es weiter so dramatisch viele HIV-Neuinfektionen bei Mädchen und jungen Frauen gebe, so Huijbregts. «Um die Mädchen zu beschützen, muss mehr in ihre Bildung und die Stärkung ihrer Rechte investiert werden», fordert sie. In Südafrika gelten rund 20 Prozent der Bevölkerung als HIV-positiv.
«Sie kann kaum mehr schlafen»
In Alexandra würden inzwischen dank ihrer Klinik zumindest mehr Fälle von Missbrauch oder Vergewaltigungen durch Taxifahrer gemeldet, sagt Mokoena. Sie hilft zum Beispiel Moyagabo Malatisi (48), deren sechsjährige Tochter Tabane vor einigen Monaten während der Taxifahrt zur Schule vergewaltigt wurde. «Der Fahrer ist in einen Hinterhof eingebogen», erzählt die Mutter stockend. «Er hat ihre Kleider zerrissen und sie brutal vergewaltigt.» Nach der Tat habe der Fahrer Tabane zu einem Fluss gebracht, um das Blut abzuwischen, erzählt sie.
Weil er ihr mit dem Tod gedroht hat, wollte sie zuerst nichts sagen», erinnert sich die Mutter. «Aber aufgrund der Schmerzen und des ganzen Bluts konnte sie es nicht länger verschweigen.» Noch am gleichen Tag ging die Mutter mit ihrer Tochter in die Klinik und erstattete Anzeige. Tabane wird wohl ihr ganzes Leben lang unter dem Trauma leiden. «Sie kann kaum mehr schlafen», sagt die Mutter.