Zehntausende Menschen demonstrieren in Moskau

Zehntausende Menschen haben in Moskau ungeachtet massiver Einschüchterungsversuche der Behörden friedlich gegen Polizeigewalt und für freie Wahlen demonstriert.

Zahlreiche Menschen demonstrieren mit Flaggen, Fahnen und Plakaten gegen Polizeigewalt und für freie Wahlen. - dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • In Moskau fand eine genehmigte Kundgebung statt – sie war die grösste seit viele Jahren.
  • Die Organisatoren sprachen von rund 50'000 Teilnehmern, die Polizei von etwa 20'000.
  • Festnahmen gab es erst nach der Kundgebung – 280 Menschen wurden in Gewahrsam genommen.

Die Kundgebung auf dem Sacharow-Prospekt am Samstag in der russischen Hauptstadt war die grösste seit vielen Jahren. «Dopuskaj!» – auf Deutsch: Zulassen! – riefen die Menschen in Sprechchören. Sie forderten bei der diesmal zugelassenen Demonstration die Registrierung von unabhängigen Kandidaten zur Stadtratswahl am 8. September. «Freiheit für die politischen Gefangenen!», skandierte zudem die Menge. Gemeint sind jene Oppositionspolitiker, darunter Alexej Nawalny und Ilja Jaschin, die im Arrest sitzen.

Die Organisatoren sprachen von rund 50.000 Teilnehmern, die Polizei von etwa 20.000. Das galt als viel, weil führende Köpfe der Proteste durch die Inhaftierung ausgeschaltet sind. In sozialen Netzwerken hatten Videos von der Polizeigewalt gegen Demonstranten grosses Entsetzen ausgelöst.

«Russland ohne Putin»

«Wir haben hier die Macht!», riefen die Menschen. Und – ungewöhnlich für Russland – «Freiheit, Freiheit». Auch bekannte Rufe wie «Russland ohne Putin» und «Putin – wor!» – auf Deutsch: «Putin ist ein Dieb» – waren zu hören. Ein Redner rief von der Bühne: «Brauchen wir einen solchen Präsidenten?» Die Menge antwortete daraufhin im Chor: «Nein!»

Zahlreiche Menschen demonstrieren mit Flaggen und Fahnen gegen Polizeigewalt und für freie Wahlen. - dpa

Auch Prominente wie die Schriftstellerin Ljudmila Ulizkaja und der Rapper Face traten auf der Protestbühne auf. Teils gab es schwere technische Probleme, so dass Redner nicht zu hören waren. Erneut war der Mobilfunk weitgehend lahmgelegt: Telefonate oder das Nutzen mobilen Internets waren nicht möglich. Auf Plakaten war etwa zu lesen «Geben Sie Moskau die Wahlen zurück!», «Hier wählen wir!», «Ich habe das Recht auf eine Wahl!» oder «Ich bin wütend!». Die Demonstration verlief friedlich.

Festnahmen nach der Demonstration

Anders als die Proteste an den beiden vergangenen beiden Wochenenden waren diese genehmigt. Festnahmen begannen erst nach Ende der Demonstration. Nach Zahlen des Bürgerrechtsportals OWD-Info nahm die Polizei landesweit bei Solidaritätskundgebungen für die Moskauer Proteste rund 280 Menschen in Gewahrsam. 80 Festnahmen wurden demnach in der nordrussischen Stadt St. Petersburg gezählt. In der Hauptstadt seien es 180 gewesen.

Polizisten verhaften einen Demonstranten am Rande eines Protestes für faire und freie Wahlen. - dpa

Nach dem Ende der genehmigten Kundgebung in Moskau versammelten sich viele Menschen im Stadtzentrum. Die Organisatoren hatten im Vorfeld nicht ausgeschlossen, dass es weitere, als Spaziergang deklarierte Aktionen geben könnte. Auf Live-Bildern im Fernsehen war zu sehen, wie Polizisten mit Schlagstöcken im Viertel Kitai-Gorod östlich des Kremls Strassen und Parks abriegelten. Immer wieder war zu sehen, wie Festgenommene abgeführt und in Polizeibusse geschoben wurden.