Bei einer der grössten genehmigten Demonstrationen der vergangenen Jahre sind am Wochenende in Russland mehr als 200 Menschen festgenommen worden.
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Demonstranten am Samstag in Moskau - AFP

Das Wichtigste in Kürze

  • NGO zählt knapp 50.000 Teilnehmer bei Kundgebung für freie Wahlen in Moskau.
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Die Polizei in Moskau erklärte, sie habe mehr als 130 Menschen festgenommen, in Russlands zweitgrösster Stadt St. Petersburg waren es nach Angaben der Nichtregierungsorganisation OVD-Info 80 Festnahmen. Zehntausende Anhänger der Opposition demonstrierten für freie und faire Kommunalwahlen.

Die auf die Schätzung von Teilnehmerzahlen bei Demonstrationen spezialisierte NGO The White Counter gab die Zahl der Teilnehmer bei der Demonstration in Moskau mit 49.900 an, die Polizei mit lediglich 20.000. In den vergangenen Wochen waren bei mehreren nicht genehmigten Kundgebungen fast 2400 Menschen festgenommen worden; die Behörden ermitteln wegen «Massenunruhen».

Vier Wochen vor der anstehenden Kommunalwahl versammelten sich die Kundgebungsteilnehmer auf der Andreja-Sacharowa-Strasse im Zentrum von Moskau. Sie trugen Plakate mit Aufschriften wie «Gebt uns das Recht zu wählen!» und «Ihr habt uns genug belogen!»

Einer der bekanntesten Rapper Russlands, Oxxxymiron, nahm an der Demonstration teil und trug ein T-Shirt mit einem Foto des inhaftierten Studenten Jegor Schukow. Der Rapper Face sagte, er trete bei der Veranstaltung auf, damit «meine Leute Freiheit und das Recht zum Wählen haben».

«Ich bin ausser mir über diese Ungerechtigkeit an allen Ecken», schimpfte die 60-jährige Ingenieurin Irina Dargolz. «Sie lassen Kandidaten nicht zur Wahl zu, die die erforderlichen Unterschriften gesammelt haben, sie nehmen Menschen fest, die friedlich protestieren.»

Zahlreiche Oppositionskandidaten waren wegen angeblicher formaler Mängel von der Kommunalwahl in Moskau ausgeschlossen worden. Die meisten von ihnen wurden inzwischen wegen Verstössen gegen das Demonstrationsgesetz inhaftiert. Es fühle sich für ihn so an, als sei «das Land ein Gefangener» und seine Bürger «Geiseln», sagte der Aktivist Dmitri Chobbotowski.

Der inhaftierte Kreml-Kritiker Alexej Nawalny liess über soziale Medien einen Aufruf an die Demonstranten verbreiten, sie sollten nach der Kundgebung zu «Spaziergängen» in Moskau aufbrechen. Die Polizei warnte vor derartigen Protestformen und drohte an, Teilnehmer von illegalen Aktionen festzunehmen. Nawalnys Weggefährte Boris Solotarewski rief dessen Anhänger dazu auf, vor Putins Verwaltungsbüros zu ziehen. Kurz darauf wurde er inhaftiert.

Die USA und die EU hatten Russland für das brutale Vorgehen gegen Aktivisten bei den jüngsten Protesten kritisiert. Polizeikräfte waren mit Schlagstöcken auf die Aktivisten losgegangen. Der prominente Kreml-Kritiker Alexej Nawalny war Ende Juli wegen des Aufrufs zu nicht genehmigten Demonstrationen festgenommen und zu 30 Tagen Haft verurteilt worden.

Die russischen Behörden hatten ihr Vorgehen gegen Nawalny zuletzt verschärft. Am Donnerstag wurden die Konten von Nawalnys Anti-Korruptions-Stiftung sowie von einigen seiner Unterstützer eingefroren. Zudem durchsuchte die Polizei Wohnungen von Nawalny-Vertrauten. «Was wir jetzt sehen, ist der bisher aggressivste Versuch, uns zum Schweigen zu bringen», schrieb Nawalny daraufhin in seinem Blog.

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