Kirche will mit unabhängigen Beratungsstellen kooperieren
Die Erwartungen an die katholische Kirche zum Umgang mit den Missbrauchsfällen sind hoch. Missbrauchsbeauftragter Ackermann verkündete am Mittwoch aus Kritikersicht nur wenig Neues.
Das Wichtigste in Kürze
- Die katholische Kirche will künftig mit unabhängigen Beratungsstellen zusammenarbeiten, um Opfern sexueller Gewalt schneller helfen zu können.
Dazu suche man nach Partnern ausserhalb der Kirche, sagte der Missbrauchsbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz, der Trierer Bischof Stephan Ackermann, am Mittwoch in Lingen. «Das könnte ein Weg sein, auf diese Weise noch niederschwelliger zu reagieren.»
Laut Ackermann steht seine Arbeitsgruppe bereits in Kontakt mit der «Bundeskoordinierung spezialisierter Fachberatung gegen sexualisierte Gewalt in Kindheit und Jugend». Ein solches Angebot könne es Opfern erleichtern, frühzeitig Anzeige zu erstatten, sagte er.
Nach Angaben des Bischofs sind bisher wegen der Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche rund 1900 Anträge auf Zahlungen für «Leistungen in Anerkennung zugefügten Leids» bei einer zentralen Koordinierungsstelle eingegangen. Sofern die Täter noch am Leben sind, sollen sie nach Willen der Bischöfe die Auszahlung der Leistung an ihre Opfer erbringen.
Für die Erstellung eines Leitfadens für eine unabhängige Aufarbeitung der Missbrauchsproblematik habe er bereits ein Gespräch mit dem Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs der Bundesregierung, Johannes Rörig, gehabt, sagte Ackermann. Ein weiteres Treffen solle es bis Ende Mai geben, in dem Kriterien und Standards ausgearbeitet werden.
Nachdem bislang die Suche nach Tätern im Fokus stand, gehe es künftig auch um das mögliche Benennen von Verantwortlichen in den Bistümern und die Frage, ob eine Form von Versöhnung und Erinnerungskultur gefunden werden kann, sagte Ackermann. Für die Bistümer könne dies in das Einrichten sogenannter Wahrheitskommissionen münden. Kriterien und Standards dazu sollten ab Mai erarbeitet werden.
Die kirchenkritische Organisation «Wir sind Kirche» zeigte sich enttäuscht von den Aussagen Ackermanns. Fast ein halbes Jahr nach Veröffentlichung der von der Bischofskonferenz in Auftrag gegebenen Missbrauchs-Studie habe er in keinem wesentlichen Punkt wirklich konkrete Fortschritte vorgestellt, kritisierte sie. Ackermanns Stellungnahme bleibe deutlich hinter den Ankündigungen zurück, die der Vorsitzende der Bischofskonferenz Kardinal Reinhard Marx zu Beginn der Tagung in Lingen gemacht habe.
Marx will sich allerdings zum Abschluss der Bischofstagung am Donnerstag noch einmal zum Thema Missbrauch äussern, und da vor allem auf Grundsatzfragen eingehen, wie etwa der Zukunft des Zölibats.
Wegen des sexuellen Missbrauchs von Kindern, Jugendlichen und auch Ordensfrauen steht die katholische Kirche weltweit unter Druck. Am Mittwoch wurde der australische Kardinal George Pell, ehemaliger Vertrauter von Papst Franziskus, in Melbourne wegen sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen zu sechs Jahren Haft verurteilt. Er streitet alle Vorwürfe bis heute ab und will in Berufung gehen.
Erst vergangene Woche war Frankreichs höchster katholischer Würdenträger, Kardinal Philippe Barbarin aus Lyon, wegen Vertuschung von Missbrauchsvorwürfen zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt worden. Nach Überzeugung des Gerichts hatte er Fälle sexueller Übergriffe auf Minderjährige nicht angezeigt. Im Februar hatte Papst Franziskus die Vorsitzenden der Bischofskonferenzen aus aller Welt zu einem Krisengipfel nach Rom geladen.