Chaos Brexit laut britischem Minister Michael Gove immer näher

Die britische Regierung hält am 31. Oktober als Datum für den Brexit fest – notfalls auch ohne Abkommen.

Abgeordnete sitzen im britischen Unterhaus und debattieren über den Brexit. Foto: Jessica Taylor/AP/dpa - Dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • Johnson bat in Brüssel um eine Verschiebung des Brexits.
  • Er unterschrieb das Dokument jedoch nicht, da er keine Verschiebung will.
  • Somit hielt er sich an das Gesetz, ohne effektiv um eine Verschiebung zu bitten.

Totales Brexit-Wirrwarr in London: Die britische Regierung beantragt bei der EU eine Verschiebung der Frist. Gleichzeitig hält sie trotzdem am 31. Oktober als Datum für den EU-Austritt fest – notfalls auch ohne Abkommen.

Risiko gestiegen für No-Deal Brexit

No-Deal-Brexit-Beauftragte Michael Gove sprach in einem Interview mit dem Sender Sky News über den Brexit. Durch das Vertagen der Entscheidung über den Brexit am Samstag im Parlament sei das Risiko für einen ungeregelten Austritt gestiegen. Noch an diesem Sonntag sei daher ein Treffen von Teilen des Kabinetts geplant. Sie werden sich auf den Notfall mit Hilfe der «Operation Yellowhammer» intensiver vorbereiten.

Der britische No-Deal Brexit Beauftragte Michael Gove. Foto: Jonathan Brady/PA Wire - Dpa

Das «Yellowhammer»-Dokument enthält Prognosen darüber, was bei einem Austritt Grossbritanniens aus der EU ohne Abkommen passieren dürfte. Experten warnen darin etwa vor Protesten und Störungen der öffentlichen Ordnung. Auch sehr langen Wartezeiten am Ärmelkanal für Lastwagen und Engpässen bei Lebensmitteln und Arzneimitteln erwarten sie.

Verschiebung beantragt

Am Samstag hatten sich die Ereignisse überschlagen. Das Unterhaus sollte eigentlich über den neuen Brexit-Deal von Premierminister Boris Johnson mit der EU befinden. Es vertagte diese Entscheidung aber. Damit war Johnson gesetzlich gezwungen, eine Bitte um Fristverlängerung bis Ende Januar nach Brüssel zu schicken.

Premierminister Boris Johnson spricht im Unterhaus in London. - Dpa

Mit der Bitte um Verlängerung in Brüssel hielt sich Johnson dann formal an gesetzliche Vorgaben des sogenannten Benn Acts. Allerdings unterzeichnete er das Schreiben nicht.

Kurz nach dem schriftlichen Antrag folgte ein Brief des britischen EU-Botschafters Tim Barrow. Er wies darauf hin, dass Johnson das bewusst so gehalten hatte. Johnson schickte zusätzlich einen persönlichen Brief an Ratschef Tusk und kündigte an, den bisherigen Brexit-Termin einhalten zu wollen.

Bei der Opposition stiess Johnsons Verhalten auf starke Kritik. «Er benimmt sich ein bisschen wie ein verzogener Rotzbengel», sagte Schattenkanzler John McDonnell von der Labour-Partei gegenüber Sky News. Johnson dürfe weder das Parlament noch die Gerichte missachten.

EU muss den Vertrag auch annehmen

In Brüssel zeigten sich Diplomaten perplex über die verworrene Lage in London. Dennoch kamen am Sonntagvormittag wie geplant die EU-Botschafter zusammen und stiessen formal das Ratifizierungsverfahren auf EU-Seite an. Denn nicht nur das britische Parlament muss den Vertrag annehmen, sondern auch das EU-Parlament. Theoretisch könnte dies am Donnerstag in Strassburg passieren.

Ratspräsident Donald Tusk (r), im Gespräch mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Foto: Frank Austein/AP/dpa - Dpa

Über die mögliche Fristverlängerung für London sprachen die EU-Botschafter nach Angaben von Diplomaten nicht. Das obliegt Tusk und den Staats- und Regierungschefs.

Es gilt als wahrscheinlich, dass die 27 bleibenden Staaten nötigenfalls noch einmal einen Aufschub für den Brexit gewähren. Auch wenn der französische Präsident Emmanuel Macron und andere dafür zuletzt eine gute Begründung gefordert hatten.