Investoren verwandeln denkmalgeschützte Nazi-Bauten in Luxus-Oasen
Deutschlandweit werden Nazi-Bauten umgenutzt. Je nach Art und früherer Nutzung wird unterschiedlich mit den Gebäuden umgegangen.
Das Wichtigste in Kürze
- In ganz Deutschland werden ehemalige Nazi-Gebäude umgebaut.
- Nicht alle sind mit der aktuellen Nutzung zufrieden.
- Je nach Art und damaliger Nutzung gelten andere Bestimmungen.
«Vorne NS-Monumentalbau, hinten schicke Wohnungen. Das wird dem Bau in jeglicher Hinsicht nicht gerecht». Erklärt der Architekturkritiker Ralph Lange über einen denkmalgeschützten Nazi-Bau in Hamburgs Villenviertel Harvestehude.
Das ehemalige Wehrmachtsgebäude wurde vor einigen Jahren zur Luxus-Wohnanlage umgebaut. In Anbetracht der Kriegsverbrechen der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg «hätte man sich mehr historische Sensibilität und Verantwortung gewünscht», findet Lange.
Von vorne wirkt der 1936 errichtete Militärbau wie ein Fremdkörper zwischen Designerhäusern und Patriziervillen. Die meterhohen Pfeilern am Eingang und die zwei grossen Adler auf dem Dach heben das Gebäude von seiner Umgebung ab. Nach dem Zweiten Weltkrieg liessen junge Hamburger an diesem Ort jahrzehntelang ihre Hosen herunter. Hier wurden sie von den Amtsärzten des Kreiswehrersatzamtes gemustert.
Umgestaltung in eine Luxus-Oase
2006 verkaufte der deutsche Staat das Gebäude an die private Frankonia Eurobau. Mit Zustimmung des Denkmalschutzamtes liess das Unternehmen Teile des Gebäudes – wie etwa die Rückfassade – abreissen und neu bauen. Diese Teile seien nicht erhaltenswert gewesen und deshalb durch zeitgenössische Architektur ersetzt worden, sagt Frankonia-Chef Uwe Schmitz.
Heute heisst das Gebäude «Sophienpalais» und beherbergt nach Angaben von Frankonia neben 105 Luxuswohnungen. Weiter beinhaltet der Bau vier Saunen, einen Fitnessbereich mit Yogastudio und eine von Karl Lagerfeld mitgestaltete Lounge. Viel ist von der Geschichte des Gebäudes als Standortkommandantur der Wehrmacht nichtmehr zu sehen. Vor allem die Frontfassade und eine Gedenktafel vor dem Eingang zeugen von der dunklen Vergangenheit.
Doch wie gut lassen sich Luxus-Wohnungen vermarkten, wenn das Gebäude eine Nazi-Vergangenheit hat? Tatsache ist, dass nicht jede Wohnung im Hamburger Sophienpalais belegt ist. Acht davon suchen immer noch einen Käufer, sagt Frankonia-Chef Schmitz. «Das Sophienpalais hat kein Problem mit Leerstand», meldet der Bauherr jedoch optimistisch.
Der «Koloss von Rügen»
Auch auf der beliebten Ostsee-Insel Rügen hat ein Baudenkmal mit Nazi-Vergangenheit einen Wandel zur Wohlfühloase vollzogen. Im Ortsteil Prora der Gemeinde Binz steht der zwischen 1936 und 1939 erbaute «Koloss von Rügen». Ein 2,5 Kilometer langer Betonriegel.
Der «Koloss» besteht aus fünf denkmalgeschützten Blöcken. Jeder von ihnen wurde nach und nach an private Investoren verkauft. Diese liessen dort ebenfalls Hotels und Ferienwohnungen errichten.
Christian Dinse arbeitet in einem von zwei Dokumentationszentren in dem Monumentalbau. Laut ihm blendet man die Leidensgeschichten hinter dem Gebäude aus.
«Hier mussten Menschen, vor allem aus Osteuropa während des Krieges Zwangsarbeit leisten. Hier wurden Polizeibataillone ausgebildet, die später an Deportationen von Juden in Vernichtungslager beteiligt waren», erklärt Dinse. Bataillone aus dem «Koloss von Rügen» seien ebenfalls an Kriegsverbrechen in der Sowjetunion oder Griechenland beteiligt gewesen. All dem werde in Prora zu wenig Rechnung getragen.
Aus Nazi-Bunker wird Apartmenthaus
An einer viel befahrenen Kreuzung in München-Schwabing steht ein denkmalgeschützter Nazi-Bunker. Dieser hat eine ungewöhnliche Metamorphose zum exklusiven Büro- und Apartmenthaus vollzogen.
Investor Stefan Höglmaier kaufte den Bau vor einigen Jahren, um ihn aufwendig zu sanieren. Unter anderem liess er Fenster in die zwei Meter dicken Mauern schneiden. Die Geschichte des Gebäudes sei bis in die Wohnungen hinein allgegenwärtig, sagt Höglmaier.
Sophienpalais zu wenig gewürdigt
Die Auseinandersetzung mit der Geschichte des Hamburger Sophienpalais hingegen, kommt Hamburgs ehemals oberstem Denkmalschützer Frank Pieter Hesse zu kurz. Hesse leitete das Denkmalschutzamt von 2006 bis 2013. Um die Ursprünge des Gebäudes angemessen zu würdigen, bedürfte es eines öffentlich zugänglichen Dokumentationsortes im Gebäude. Es sollte über dessen Geschichte und Bedeutung aufgeklärt werden, findet Hesse.
Uwe Schmitz dagegen hält das für unvereinbar mit der gleichzeitigen Nutzung als Wohnanlage. Ähnlich sieht es das Denkmalschutzamt. Die Behörde verweist zudem darauf, dass sie dem Eigentümer keine Nutzungsart vorgeben könne. «Das wäre ein massiver Eingriff in Eigentumsrechte», heisst es.
Hesse berichtet weiter, die Denkmalpflege habe damals schwere Bedenken gegen die Entscheidung für die private Wohnnutzung gehabt. Diese wurden aber zurückgestellt, um wenigstens die Frontfassade, das Haupttreppenhaus und den Saal über dem Haupteingang zu erhalten. Schmitz hält dem entgegen, dass eine Nutzung als Verwaltungsgebäude ein «Störfaktor» für den von Wohnhäusern geprägten Standort gewesen wäre. Die Erinnerung an die NS-Geschichte des Hauses sei mit der Gedenktafel vor dem Eingang ausreichend gewürdigt, findet Schmitz.
Ausstellung für Nazi-Bunker
Die Erinnerung an die Geschichte des Schwabinger Nazi-Bunkers ist hingegen geregelt. Diese findet nach Angaben von Stefan Höglmaier unter anderem in Ausstellungsräumen für Kunst und Architektur statt. Dort werde auch immer die Geschichte des Bunkers mit einbezogen, sagt Höglmaier. Die Ausstellungsräume seien eine offene Plattform und sollten eine gesellschaftliche Diskussion über die Rolle der Architektur in der Gesellschaft anregen.
Der Umgang mit Baudenkmälern aus der Zeit des Nationalsozialismus ist in Deutschland unterschiedlich. Dieser hängt laut Ralph Lange immer von den Umständen ihrer Entstehung und ihrer Nutzung in der NS-Zeit ab. «Es gibt somit eine grosse Bandbreite, die sich zwischen unkritischer Weiternutzung und der Umwandlung in ein Mahnmal erstreckt», so Lange.