Kein erhöhtes Krebsrisiko nach künstlicher Befruchtung
Kinderkriegen klappt nicht immer auf natürlichem Weg. Manchmal hilft eine künstliche Befruchtung. Steigert dieses Vorgehen das Krebsrisiko?
Das Wichtigste in Kürze
- Eine künstliche Befruchtung erhöht einer Studie zufolge beim Nachwuchs nicht das Krebsrisiko - zumindest bis zum frühen Erwachsenenalter.
Das berichten niederländische Forscher im Fachblatt «Human Reproduction». Die umfangreiche Untersuchung widerspricht damit Resultaten früherer Studien.
Ludwig Kiesel, Direktor der Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe in Münster, hält die für einen wichtigen wissenschaftlichen Beitrag zur Debatte um künstliche Befruchtung: «Die Aussagen sind sehr hilfreich, wenn Ärzte Paare mit unerfülltem Kinderwunsch beraten», sagte Kiesel, der nicht an der Studie beteiligt war.
Das Team um Flora van Leeuwen von The Netherlands Cancer Institute in Amsterdam stützte sich auf Daten von Frauen, die von 1980 bis 2001 in einer von 14 niederländischen Fachkliniken behandelt worden waren. Insgesamt wurden 47.690 Kinder berücksichtigt, gut die Hälfte davon kam nach künstlicher Befruchtung zur Welt.
Ob eines der Kinder im Laufe seiner Entwicklung an Krebs erkrankte, wurde bei etwa der Hälfte vor dem 21. Geburtstag erfasst, bei den anderen später. Da es künstliche Befruchtungen erst seit Ende der 70er Jahre gibt, sind Untersuchungen über eine ganze Lebensspanne bislang nicht möglich.
Die Krebsraten der künstlich gezeugten Kinder waren weder im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung erhöht noch im Vergleich zu jenen natürlich gezeugten Kindern, deren Mütter Empfängnisschwierigkeiten hatten.
Vor allem die sehr lange Zeit der Nachbeobachtung der Kinder sei eine aussergewöhnliche Leistung und unterstütze die Aussagekraft des Ergebnisses, sagte Klinikdirektor Kiesel. Allerdings sei Krebs bei Kindern generell selten, daher seien die Fallzahlen bei einzelnen Krebsarten gering und bedürften weiterer Untersuchungen.
Mediziner verwenden verschiedene Methoden der künstlichen Befruchtung. Bei der sogenannten intrazytoplasmatischen Spermainjektion (ICSI) wird eine Samenzelle direkt in eine Eizelle eingespritzt. Im Gegensatz dazu werden bei einer klassischen künstlichen Befruchtung Eizellen mit aufbereitetem Sperma in einem Reagenzglas zusammengebracht. In Deutschland ist die ICSI deutlich häufiger.
Bei jenen Kindern, die mittels ICSI auf die Welt kamen, oder bei Kindern, deren Embryonen zwischenzeitlich eingefroren waren, fanden die Forscher zwar ein leicht erhöhtes Krebsrisiko, das aus statistischen Gründen aber nicht aussagekräftig ist.
Van Leeuwen arbeitet laut einer Mitteilung bereits an einer grösseren Untersuchung: «Wir erweitern unsere Studie derzeit auf mehr als 30 000 aus künstlicher Befruchtung hervorgegangene Kinder, die in den letzten Jahren geboren wurden.»