Langsame Supermarktkassen gegen Einsamkeit

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Deutschland,

«Wieder an der falschen Kasse», denken viele, wenn es länger dauert beim Kassieren. In zwei bayerischen Supermärkten ist das Warten vor der Kasse neuerdings sogar Prinzip – quasi aus medizinischen Gründen.

Eine Kassiererin steht mit einem Kunden bei der Eröffnung einer «Ratschkasse» (Plauderkasse) in einem Edeka-Markt in Buxheim.
Eine Kassiererin steht mit einem Kunden bei der Eröffnung einer «Ratschkasse» (Plauderkasse) in einem Edeka-Markt in Buxheim. - Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • An diesen Supermarktkassen sollte man sich nicht anstellen, wenn es flott gehen soll: In Schwaben und Unterfranken können nun Kunden einkaufen, die beim Kassieren gerne mal ein Schwätzchen mit dem Kassenpersonal halten.

In Buxheim bei Memmingen startete am Donnerstag Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) solch eine Langsam-Kasse im Rahmen eines Projektes gegen Vereinsamung. «Was im hektischen Einkaufsalltag oft stört, ist hier ausdrücklich erwünscht: der Ratsch an der Supermarktkasse», sagte Holetschek.

Plausch gegen die Einsamkeit

Die «Ratschkasse» im Buxheimer Edeka-Markt Abröll-Groiss wird wegen des aktuellen bayerischen Präventionsschwerpunkts zu gesundheitlichen Folgen von Einsamkeit bis Juli vier Tage die Woche jeweils zwei Stunden am Vormittag geöffnet. Danach sollen Geschäftsführung, Angestellte des Marktes sowie Kundinnen und Kunden zu den Erfahrungen befragt werden. «Wenn die Ratschkasse erfolgreich war, würde ich mich freuen, wenn die Idee zahlreiche Nachahmer in Bayern findet», meinte der Minister.

In Schweinfurt ist Supermarkt-Inhaber Marius Höchner bereits einen Schritt weiter. Er hatte vor fast zwei Monaten eine Smalltalk-Kasse eingerichtet, dort heisst sie «Plauderkasse» und die Kunden sollen ein Gefühl wie einst im Tante-Emma-Laden haben. «Die Resonanz ist hervorragend», sagt der Chef.

An einem Tag die Woche ist die Kasse vier Stunden geöffnet, manchmal auch länger. Höchner betreibt drei Märkte und will das Angebot in dem grössten davon auf jeden Fall dauerhaft anbieten. «Inwiefern wir es auf die anderen Märkte übertragen, müssen wir noch schauen.»

Die Initialzündung für die Kasse war in Schweinfurt eine Mitarbeiterin, die nach eigenem Bekunden «sowieso so viel» rede. Diese Verkäuferin sitzt nun zu den Betriebszeiten an der Kasse und plaudert.

Ausgewogenes Verhältnis

Aus Sicht des Geschäftsmanns hat Höchner kein Problem mit der Bummelkasse. «Es war mir natürlich bewusst, dass man nicht den Umsatz an der Kasse macht wie üblich», sagt er. «Wenn jetzt von meinen zwölf Kassen alle so langsam wären, dann könnte ich irgendwann den Laden zumachen.» Letztlich müsse das Verhältnis ausgewogen sein. Ausserdem hoffe er auf zusätzliche Kunden, die vielleicht extra wegen der «Plauderkasse» bei ihm einkaufen.

Vorbild waren für die Projekte in Schweinfurt und Buxheim entsprechende Angebote, die es schon seit Jahren im Ausland, beispielsweise in den Niederlanden, gibt. In der Schweiz hatte eine Gesundheitsinitiative im Herbst 2022 «Plauderkassen» in einem Supermarkt und einer Apotheke in Basel eingeführt. Das zunächst nur für sechs Monate konzipierte Projekt sei rege genutzt worden und werde deswegen nun weitergeführt, berichten die Organisatoren.

Auch in Bayern steht der Gesundheitsaspekt im Vordergrund. Einsamen Menschen soll ein einfacher Zugang zu mehr Kontakten gegeben werden, denn: «Einsamkeit kann krank machen», betont das Ministerium. Das Risiko für Angststörungen, Depressionen, Bluthochdruck, Schlaganfall, Diabetes oder Demenz steige. Laut einer Statistik seien mittlerweile 10 Prozent der älteren Männer und bei den Frauen sogar 15 Prozent von Einsamkeit betroffen. Auch mit Veranstaltungen will das Gesundheitsministerium daher in diesem Jahr auf das Thema hinweisen.

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