Nach Mordserie von Niels Högel fordern Patientenschützer mehr Schutz

Der ehemalige Krankenpfleger Niels Högel tötete ungehemmt in fünf Jahren unzählige Patienten. Patientenschützer fordern deshalb mehr Sicherheit in Spitäler.

Der ehemalige Krankenpfleger Niels Högel versteckt sein Gesicht hinter einem Aktendeckel, während er auf der Anklagebank des Landgerichts in Oldenburg sitzt. - dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • Ex-Krankenpfleger Niels Högel wurde in 100 Fällen wegen mutmasslicher Tötung angeklagt.
  • Patientenschützer fordern mehr Sicherheit, um Serienmord in Spitäler wie diese zu stoppen.

Angesichts der beispiellosen Mordserie des ehemaligen Krankenpflegers Niels Högel haben Patientenschützer Konsequenzen für die Sicherheit der Kliniken in ganz Deutschland gefordert. «Insellösungen in einzelnen Bundesländern reichen nicht aus», sagte Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, der Nachrichtenagentur AFP. Bund und Länder müssten für einheitliche Regelungen für die rund 2000 Spitäler sorgen.

Die Einführung von Stationsapothekern und internen Fehlermeldesystemen, wie sie zuletzt in Niedersachsen beschlossen wurden, reichen nach Ansicht von Brysch nicht aus. Nötig sei «eine unabhängige und externe Anlaufstelle für anonyme Hinweisgeber». Dies könne ein Anwalt oder Seelsorger sein. «So wird die ohnehin hohe Hemmschwelle gesenkt, um verdächtige Vorkommnisse zu melden», sagte Brysch.

Zudem sei «eine lückenlose, standardisierte und elektronische Kontrolle» der Medikamentenabgabe in allen Spitäler notwendig. Sowohl die Entnahme und Zusammensetzung der Medikamente auf der Station als auch die Zuteilung an die Patienten müssten digital erfasst und überprüft werden, forderte Brysch.

100 Klagen gegen Högel

Der bereits wegen Mordes und anderer Delikte zu lebenslanger Haft rechtskräftig verurteilte frühere Krankenpfleger Niels Högel soll über Jahre hinweg Intensivpatienten in zwei Spitäler in Oldenburg und Delmenhorst getötet haben, ohne dass ihn jemand aufhielt. Nach Erkenntnissen der Ermittler verabreichte er ihnen zwischen 2000 und 2005 eigenmächtig Medikamente, um Herz-Kreislauf-Stillstände auszulösen und sie anschliessend wiederzubeleben. Viele starben.

Am kommenden Dienstag beginnt im niedersächsischen Oldenburg ein Mammutprozess gegen den ehemaligen Krankenpfleger, dem 99 weitere Taten vorgeworfen werden. Ein 100. mutmasslicher Mord wurde angeklagt und könnte später in den Prozess eingebunden werden.

Morden war noch nie so einfach

Der niedersächsische Landtag verschärfte vor wenigen Tagen das Krankenhausgesetz. Kliniken im Land müssen künftig anonyme Meldesysteme einführen und Stationsapotheker beschäftigten, um eine bessere Kontrolle über die Ausgabe von Medikamenten zu haben.

Brysch nannte es «überfällig, dass endlich Konsequenzen aus den Krankenhausmorden gezogen werden» und sprach von einem ersten Schritt. Nötig sei auch «eine offene Kultur des Hinschauens». «Tötungsfälle in Krankenhäusern und Pflegeheimen sind Ausnahmen.»

«Dennoch ist es nirgendwo so einfach zu morden wie hier», sagte Brysch. Es gelte daher, ein Gespür für die Gewalt gegen Patienten und Pflegebedürftige zu entwickeln. «Eine offene Fehlerkultur schafft kein Misstrauen, sondern sensibilisiert und stärkt das Team.»