SPD-Chefin Nahles geht in die Offensive
Drei Parteien in Deutschland sind am Kriseln. Während die CDU über die Parteispitzen-Nachfolge diskutiert, geht SPD-Nahles in die Offensive.
Das Wichtigste in Kürze
- CDU, CSU und die SPD sind die Verlierer der letzten Landtagswahlen.
- Nach dem schrittweisen Rücktritt Merkels diskutiert die CDU über ihre Nachfolge.
- Bei der SPD gerät Nahles intern stark unter Druck.
In Deutschland stehen die drei Parteien der kriselnden grossen Regierungskoalition vor wegweisenden Entscheidungen. Die SPD sucht Wege für einen Neustart, bei der CDU zeichnet sich im Wettkampf um die Nachfolge von Angela Merkel an der Spitze der Partei zunehmend ein Richtungsstreit ab. Bei der CSU wird die Debatte über eine Ablösung von Parteichef Horst Seehofer befeuert.
Die intern stark unter Druck stehende SPD-Vorsitzende Andrea Nahles, ging gegen ihre Kritiker in die Offensive. In der «Süddeutschen Zeitung» von Samstag forderte sie mehr Ehrlichkeit und Offenheit. Sie führe die Partei mit all ihrer «Kraft, Leidenschaft und Zuversicht», sagte Nahles, «wenn jemand meint, es schneller oder besser zu können, soll er sich melden».
Ausstieg aus Koalition?
Seit den massiven Stimmenverlusten der SPD bei den Landtagswahlen in Bayern und Hessen wurden Rufe in der Partei nach einem Ausstieg aus der grossen Koalition wieder lauter.
Nahles will bei der Klausurtagung der SPD-Spitze am Sonntag und Montag in Berlin den Vorstoss abwehren, den für Ende 2019 geplanten Parteitag samt Wahlen vorzuziehen – und damit früher als geplant über die Zukunft der Koalition zu entscheiden. Unter anderem Juso-Chef Kevin Kühnert hatte für ein Vorziehen plädiert.
Die SPD-Chefin will am bisherigen Fahrplan festhalten. Nahles sagte, sie wolle, dass die Partei in strittigen Fragen Klarheit finde. «Wir brauchen die Zeit bis ins nächste Jahr, wenn wir es richtig machen wollen. Jetzt kopflos alles umzuwerfen, ist Blödsinn.»
Dennoch verlangte die schleswig-holsteinische SPD, vorher einen Sonder-Parteitag einzuberufen. Eine knappe Mehrheit votierte am Samstag auf einem Landesparteitag in Kiel dafür.
Kampf um Merkel-Nachfolge
Bei der CDU kommt der Kampf um die Merkel-Nachfolge zunehmend in Schwung. Merkel hatte unter dem Druck schwerer Stimmenverluste der Union in Bayern und Hessen angekündigt, auf dem Parteitag im Dezember nicht erneut als Vorsitzende anzutreten – nach 18 Jahren im Amt. Sie will aber bis zum Ende der Legislatur 2021 Kanzlerin bleiben.
Die CDU-Spitze will bei ihrer Klausurtagung am Sonntag und Montag den Parteitag vorbereiten. Kandidaten für den Parteivorsitz sind Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer, Gesundheitsminister Jens Spahn und der frühere Unionsfraktionschef Friedrich Merz, der ebenso wie Spahn dem konservativen Lager zugerechnet wird.
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident und Bundesvize Armin Laschet warnte seine Partei vor einem Rechtsruck unter einer neuen Führung. Laschet sagte der «Süddeutschen Zeitung» (Freitag), er wolle sich dafür einsetzen, dass die Christdemokraten den «Kurs der Mitte» nicht verlassen.
Zugleich kritisierte er Spahn für dessen Äusserungen zur Flüchtlingspolitik. Spahn hatte gesagt der Flüchtlingszuzug sei weiterhin ein gravierendes Problem für Deutschland.
«Kein Bruch mit Kurs der Mitte»
Auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) fuhr Spahn in die Parade: «Migration ist nicht das wichtigste Thema», sondern nur eines von mehreren, sagte er der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» (Samstag): «Es darf keinen Bruch geben mit dem Kurs der Mitte der letzten Jahre.»
Der Ausgang der Wahl zum CDU-Vorsitz könnte gravierende Folgen für die Zukunft der Koalition haben. Der frühere SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel sagte der Nachrichtenagentur DPA am Rande eines Besuchs in Martinsburg im US-Bundesstaat West Virginia: «Ich glaube, jeder Vorsitzende der CDU hat im Kern den Anspruch, der nächste Kanzler zu werden.»
Gabriel spekulierte, dass Merkel bereits nach der Europawahl im kommenden Mai auch das Amt der Regierungschefin aufgeben könnte. Er geht davon aus, dass die grosse Koalition dann vermutlich am Ende wäre.
«Die Sozialdemokratie ist aufgrund der Wahlergebnisse tief verunsichert, ob sie in dieser Koalition bleiben soll. Und ich glaube, es wäre ausserordentlich schwierig, die SPD zu überzeugen, noch einmal im deutschen Parlament einen CDU-Kanzler zu wählen.»
Vorbereiten auf alle Szenarien
Nahles sagte der «Süddeutschen Zeitung» mit Blick auf den Kampf um die Merkel-Nachfolge in der CDU: «Wir wären naiv, wenn wir uns nicht auf alle Szenarien vorbereiten würden.» Für die SPD sei entscheidend, ob die Union ihren Richtungsstreit durch eine neue Person an der Spitze der CDU in den Griff bekomme. «Wenn der Streit aber bleibt, ist die Regierung nichts wert.»
Bei der CSU hat nach Informationen der «Süddeutschen Zeitung» (Samstag) der bayerische Ministerpräsident Markus Söder nach langem Zögern inzwischen zu erkennen gegeben, dass er bereit wäre, den Parteivorsitz zu übernehmen. CSU-Chef Horst Seehofer steht innerparteilich unter Druck. In der CSU wird eine Entscheidung rasch nach der Regierungsbildung in Bayern erwartet.
Die CSU hatte sich am Freitag mit den Freien Wählern auf die Bildung einer Koalition geeinigt. Am Sonntag sollen die Parteigremien über Ergebnisse und Ressortaufteilung beraten und die Koalition billigen.