Bettler quatschen Gäste jetzt in der Beiz an
Bettler laden sich selbst zum Kafi und Gipfeli ein: Es wird nicht mehr nach Münz gefragt, sondern direkt nach Essen und Trinken. Im Restaurant.
Das Wichtigste in Kürze
- Bettler fordern Gäste in Restaurants auf, ihre Bestellung zu bezahlen.
- Die Restaurants tolerieren dies nicht und fordern die Bettler auf, das Lokal zu verlassen.
- Ein Zürcher Wirt freut sich aber über die Solidarität seiner Gäste, die offerieren.
Freitagmorgen, 10.40 Uhr im Bahnhof Bern. Nau.ch-Leser Frank A.* (45) stellt sich im Parterre an der Tibitskasse in die Schlange. Unmittelbar hinter ihm fällt Frank A. ein Mann auf. «Er hat telefoniert und wirkte unausgeschlafen», sagt der Berner.
Als Frank A. seine Schale bestellt, spricht ihn der Mann leise an. Er fragt, ob er ihm auch einen Kafi bestellen könne. Frank A. ist überrascht. «Ich fand es aber eine gute Idee. Ich bezahle einem Bettler viel lieber einen Kafi als einen Geldbetrag. Dann weiss ich, was mit meinem Geld passiert. Und gegen Nahrungsmittel habe ich nichts einzuwenden.»
Mit dem Kafi ist es aber nicht getan. Der fremde Mann fragt, ob er auch noch ein Gipfeli haben könnte. Frank A. zu Nau.ch: «Ich musste lachen. Aber warum eigentlich nicht. Ich habe mir selbst zur Feier des Tages auch noch grad ein Gipfeli bestellt.»
Die Verkäuferin habe wohl nicht gemerkt, was ablief. «Sie hat die beiden Gipfeli in den gleichen Sack gesteckt. Sie dachte wohl, wir seien Freunde.»
«Wir gehen davon aus, dass es ein Ausnahmefall ist»
Auf Nachfrage von Nau.ch weiss das «Tibits» nichts von diesem Vorfall, dem Team sei die Situation nicht aufgefallen. Marketingleiter Amar Abbas erklärt: «Unsere Mitarbeitenden sind für Fälle wie diese geschult. Die bettelnden Personen werden aufgefordert, das Lokal zu verlassen.»
Auch die mexikanische «Taqueria» in Zürich kennt Fälle wie diesen. Dort hat ein Bettler im Restaurant Gäste gefragt, ob man ihm einen Burrito bezahlen würde. Ein Gast hat eingewilligt und ihm das Znacht bezahlt.
Das Team der Filiale nahe der Langstrasse ist begeistert von der netten Geste: «Wir fanden es grossartig heutzutage zu sehen, dass die Menschheit nicht verdorben ist und Menschen sich gegenseitig unterstützen.»
Im mexikanischen Restaurant seien es vermehrt Wiederholungstäter. So versuchen immer wieder die Gleichen, jemanden zu finden, der ihnen eine Mahlzeit bezahlt. «Die meisten Gesichter kennen wir nach mehrmaligen unerwünschten Besuchen», wie Oguzhan San von der Administration erklärt.
Wenn jemand im Restaurant bettelt, versuche man «höflichst Kontakt aufzunehmen und die Leute darum zu bitten, das Restaurant zu verlassen.» Meistens reicht eine einmalige Aufforderung, in seltenen Fällen müsse die Polizei gerufen werden.
Walter von Arburg des Sozialwerks Pfarrer Sieber findet, in einer solchen Situation dürfe man ruhig auch nein sagen. «Niemand ist gezwungen, ein Getränk oder eine Mahlzeit für jemanden anderen zu übernehmen. Aber wenn ich freundlich gefragt werde, warum nicht?»
*Name der Redaktion bekannt