Coronavirus: Darum hält Taskforce nichts von Durchseuchung
Immer wieder fordern Skeptiker des Coronavirus eine kontrollierte Durchseuchung. Die Taskforce des Bundes nimmt nun ausführlich Stellung zum Modell.
Das Wichtigste in Kürze
- In der Schweiz taucht immer wieder die Forderung einer Durchseuchung auf.
- Die Taskforce des Bundes nimmt im neusten Policy Brief ausführlich Stellung.
- Sie warnt, das Modell würde zu hohe Kosten in Wirtschaft und Gesellschaft verursachen.
Das Schweden-Modell hat auch hierzulande viele Anhänger. Gerade von seitens Corona-Skeptiker wird regelmässig eine Durchseuchung mit dem Coronavirus gefordert. Aber auch einzelne Virologen liebäugeln mit dem Modell.
Nachdem Gesundheitsminister Alain Berset schon am Wochenende betont hatte, er halte nichts von einer Durchseuchung, doppelt die Covid19-Taskforce nach.
In ihrem heute Dienstag veröffentlichten Policy Brief kommen die Experten zum Schluss: Der Ansatz der Durchseuchung sei «zu verwerfen».
Herdenimmunität bei Coronavirus zu schwammig
Die Strategie analysiert haben unter anderem Taskforce-Chef Martin Ackermann, Epidemiologe Marcel Tanner oder ETH-Professor Sebastian Bonhoeffer. Sie halten fest: Die Hoffnung in der Strategie liege darin, wirtschaftliche Folgen abzufedern und die Epidemie zu stoppen.
«Diese Herangehensweise beruht jedoch auf unsicheren Grundlagen», so die Wissenschaftler. Das Gegenteil wäre der Fall: «Weitaus grössere wirtschaftliche, gesellschaftliche und gesundheitliche Kosten.»
Erstmals sei es keineswegs sicher, dass eine Infektion eine «robuste und dauerhafte Immunität hervorruft», besonders bei milden Fällen des Coronavirus. Die Datenlage deute darauf hin, dass die erworbene Immunität ähnlich schwach wie bei anderen Coronaviren sei. «Es gibt auch keine Anzeichen auf eine Kreuzimmunität mit solchen gängigen Erkältungs-Coronaviren.»
Bedeutet: Personen können sich mehrmals neu anstecken. Das verunmöglicht es gemäss Taskforce, eine «solide kollektive Immunität zu erreichen».
«Zahl der Todesfälle würde dramatisch zunehmen»
Weiter warnen die Experten vor den gesundheitlichen Folgen. Für eine «Herdenimmunität» müssten zwei Drittel der Bevölkerung infiziert sein. Dies würde den Schutz der Risikogruppen extrem schwierig gestaltet. Denn so würde sich das Virus verbreiten, bevor bei den infizierten Personen Symptome auftreten würden.
Und: «Die Zahl der Todesfälle würde dramatisch ansteigen, falls die Epidemie nicht unter Kontrolle gebracht werden könnte.» Das Gesundheitssystem würde kollabieren.
Um das zu verhindern, dürfen gemäss Taskforce nicht mehr als tausend Patienten gleichzeitig auf der Intensivstation behandelt werden. So würde es mindestens ein Jahr dauern, um lediglich die Hälfte der Bevölkerung zu infizieren.
Und nicht zuletzt die wirtschaftlichen Schäden wären deutlich höher, halten die Wissenschaftler fest. Die Kontrolle einer Epidemie mit hoher Infektionszahl habe viel drastischere Massnahmen zur Folge. Mit dem gegenwärtigen Ansatz, diese Zahl möglichst tief zu halten, würde die Wirtschaft weniger hart getroffen.
Diesen Ansatz gelte es weiterzuverfolgen, «bis zur Verfügbarkeit eines Impfstoffes».