Dank dem Frauenstreik steigt die Lebenserwartung der Männer
Soziologe Ueli Mäder erklärt, was Frauenstreik, Gleichberechtigung und die höhere Lebenserwartung der Männer miteinander zu tun haben.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Lebenserwartung von Männern hat in der Schweiz seit 2001 um 2,6 Jahre zugenommen.
- Faktoren wie mehr Wissen, Wohlstand und Gleichberechtigung helfen dabei.
In der Schweiz wird geheiratet und geschieden, geboren und gestorben. 2018 gar von allem etwas mehr als noch im Jahr zuvor.
Das belegen die neuen Zahlen des Bundesamts für Statistik (BfS). «Spektakulär» seien diese Zahlen nicht, erklärt Soziologe Ueli Mäder nüchtern.
Schweiz gleicht sich EU an
Die Statistiken würden vor allem eines belegen: «Da zeichnet sich ein EU-Trend ab. Die meisten europäischen Länder nähern sich einander allmählich an.
Ein zweiter Blick auf die Statistik zeigt dann aber doch Spektakuläres – oder zumindest Erfreuliches. Die Lebenserwartung der Männer ist gestiegen.
So hoch wie jene der Frauen ist sie zwar noch immer nicht. Seit 2001 nahm sie aber um satte 2,6 Jahre zu.
Wissen und Wohlstand
Wie kommt die Schweiz zu ihren gesunden Männern? «Wir haben zwei gegenläufige Trends. Einerseits fordert die Gesellschaft permanente Nützlichkeit und ständige Erreichbarkeit. Andererseits sind wir immer aufgeklärter, wissen, was gesund ist und gut tut.»
Dazu komme der Wohlstand. Je dicker des Schweizers Portemonnaie, desto besser sein Gesundheitszustand.
Der Faktor Frauenstreik.
«Ja, auch die Gleichstellung ist ein Faktor. Männer müssen nicht mehr den Gockel stellen und sich ständig beweisen», so Mäder. Teilzeit zu arbeiten und sich gleichberechtigt um die Kinder zu kümmern, sei akzeptierter geworden.
«Der emanzipatorische Diskurs wird breiter, das heisst, den Männern eröffnen sich neue Lebensinhalte.» Mit anderen Worten: «Die Lebenserwartung der Männer steigt auch dank dem Frauenstreik.»
Denn dabei ging es nicht zuletzt um Elternzeit, Teilzeitarbeit, bessere Kinderbetreuung und der Öffnung von geschlechterspezifischen Berufsfeldern.
Mehr lesbische Beziehungen
Womöglich auch im Zusammenhang mit der stärker thematisierten Gleichstellung ist ein weiteres Phänomen.
Die Anzahl gleichgeschlechtlicher Frauenpaare, die ihre Beziehung eintragen liessen, hat zugenommen. Mehr Frauen getrauen sich, ihre lesbische Beziehung offiziell zu machen.
Männer zu wenig gleichberechtigt
«Zum Teil gehen diese Zahlen wohl auch mit der höheren Scheidungsrate einher», fügt Mäder an. «Männer tun sich teilweise noch immer schwer darin, eine gleichgestellte Partnerschaft auf Augenhöhe zu leben.»
Frauen würden dann womöglich Alternativen suchen. «Weil sie erfahren haben, dass sich mit dem nächsten Mann ähnliche Verhaltensmuster einstellen. Aber Frauen werden auch miteinander glücklicher, wenn das sonst ihrem Bedürfnis entspricht.»
Frauenliebe akzeptierter
Dass die gestiegene gesellschaftliche Akzeptanz mit den höheren Partnerschaftszahlen einhergeht, zeigt auch die Verteilung.
Eingetragene Frauen-Partnerschaften sind in Städten häufiger als in ländlichen und konservativen Gebieten. In den Kantonen Uri, Ob- und Nidwalden beispielsweise wurde 2018 keine gleichgeschlechtliche Partnerschaft eingetragen.