Die SBB hofiert Erstklass-Kunden – auf Kosten der zweiten Klasse
Ruhewaggons, beste Internetverbindung und viel Platz – die SBB legen sich für ihre erste Klasse ins Zeug. In die Röhre gucken die Zweite-Klasse-Passagiere.
Das Wichtigste in Kürze
- Ruheabteile gab es einst für alle Passagiere. Heute nur noch in der ersten Klasse.
- Auch viel Platz und Hotspots sind den Passagieren der Ersten Klasse vorbehalten.
- In der Zweiten Klasse setzt die SBB dafür auf Spielplätze und Platz für Kinderwagen.
Hach, Ruhe. Wie gut tut es nach einem langen Arbeitstag oder vor einem wichtigen Treffen einfach mal kurz abzuschalten. Einst war das auch in den Zweitklasse-Waggons der SBB möglich.
Die gute alte Zeit. Sie ist längst vorbei. Bereits seit einigen Jahren sind die Ruhewaggons nämlich den Passagieren der ersten Klasse vorbehalten.
Familienwagen statt Arbeitsmöglichkeit
«Bei der Durchsetzung der Ruheregelung stiessen die Zugbegleiterinnen vermehrt auf zum Teil heftigen Widerstand und Unverständnis. Vor allem in Zeiten mit hohem Passagieraufkommen», erklärte die Bundesbahn.
Anstelle der Ruhewaggons rollen nun vermehrt Familienwagen durch die Schweiz. Sie verfügen über Platz für Kinderwagen, Rutschbahnen und Leiterlispielen auf den Tischen. Ob dadurch mehr Platz für Zweitklass-Reisende entsteht, sei dahingestellt.
Ruhe und Konzentration nur für Gutbezahler
Zudem stellt sich eine weitere Frage. In der ersten Klasse finden wegen der breiteren Sitze so oder so weniger Reisende Platz. Hätte die SBB nicht mehr Platz schaffen können, wenn sie einen Ruhewagen der ersten Klasse gegen einen Zweitklasse-Waggon getauscht hätte?
Die SBB verneint auf Nachfrage von Nau. Die Ruhewaggons der ersten Klasse habe man nicht abschaffen können. Warum? «Weil sie einem Kundenbedürfnis entsprechen», so Katharina Balande, Mediensprecherin.
Zweitklasspassagiere, so scheint es, haben weder das Bedürfnis, im Zug zu ruhen, noch, dort arbeiten zu können.
SBB Hotspot für die Erste Klasse
Damit besonders Letzteres in der ersten Klasse noch erstklassiger geht, haben die SBB eine Businesszone mit Internetzugang kreiert. «Damit wird der Bahnwagen zum fahrenden Hotspot. Bequem reisen und effizient arbeiten wie im Büro», jubelte die SBB 2010.
Bestrebungen, das gleiche Angebot allen Passagieren anzubieten, bestehen keine. Damit wird der Graben zwischen Passagieren erster und zweiter Klasse vertieft.