Konservativismus entscheidend für die Demokratie

Der entscheidende Faktor, der eine gesunde Demokratie am Leben erhält, sind solide und gesunde Traditionsparteien. Das zeigt eine Studie das Harvard-Professors Daniel Ziblatt. Was bedeutet das?

Seine These: Für Gesellschaften auf ihrem Weg zur demokratischen Staatsform waren zwei Faktoren bestimmend. Erstens sind die konservativen Kräfte – also Adelige, Grossgrundbesitzer, vermögende Eliten – entscheidender als die demokratischen Kräfte. Der Zustand und das Verhalten der Gegner der Demokratie waren für den Demokratisierungsprozess prägender.

Die Botschaft kann als Demütigung gegenüber Melania verstanden werden, - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Gemäss einer Harvard-Studie prägt der Zustand konservativer Parteien die demokratische Entwicklung eines Landes.
  • Dies erklärt demzufolge den weltweiten Erfolg rechts-populistischer Kräfte, etwa in den USA, Frankreich oder UK.
  • Auch in der Schweiz lassen sich derartige Zusammenhänge beobachten.

Daniel Ziblatt, 45, Professor für vergleichende Regierungslehre an der Harvard Universität, veröffentlichte eine Studie von aktueller Brisanz. In der Untersuchung analysiert Ziblatt die Entstehung der modernen Demokratie zwischen 1850 und 1950. Und welche Rolle konservativen Parteien dabei spielten.

Konservative Kräfte als entscheidender Faktor

Beispiel Deutschland: Die deutschen Sozialdemokraten bildeten Anfangs des 20. Jahrhunderts eine sehr gut organisierte politische Kraft. Dass sich dann aber trotzdem die Rechtsradikalen mit Adolf Hitler durchsetzen konnten, führt Ziblatt auf die schwach organisierten deutschen Konservativen zurück. Sie waren deshalb gezwungen mit den Rechtsextremen zusammenzuspannen. - Keystone

Zweitens ist der Zustand der politischen Parteien entscheidender, als die staatlichen Institutionen. Ob ein Land in ein autoritäres System abdriftet oder sich demokratisiert ist abhängig davon, wie gut allen voran die konservativen Parteien organisiert und aufgestellt sind. Wirtschaftskrisen, konfessionelle Konflikte, soziale Bewegungen oder der Kommunismus waren für europäische Demokratien weniger prägend, so die Analyse Ziblatts.

Politische Beteiligung und andere institutionelle Hemmschwellen waren für die Ausbildung der Demokratie weniger wichtig. Die russischen Februarrevolution 1917 beispielsweise, welche die Zarenherrschaft abschaffte, veränderte lediglich die institutionellen Rahmenbedingungen. Für Ziblatt ist jedoch der Zustand und das ideologische Profil der konservativen politischen Parteien ausschlaggebend für den Demokratisierungsprozess. - Wikimedia

Konsequenzen für die Gegenwart

Demokratien waren also auf eine lange Tradition gut organisierter und pragmatischer konservativer Parteien angewiesen. Der Harvard-Historiker verlängert nun seine These in einem Interview bis in die Gegenwart: Wo die Konservativen mit den Populisten gemeinsame Sache machen, dort steigen die Populisten auf – Frankreich, USA, Grossbritannien, Australien.

Daniel Ziblatt führt also den weltweiten Aufwind des Rechtspopulismus nicht auf die Schwäche der Linken, sondern auf das Versagen der Konservativen zurück: «Ein Bestimmungsfaktor dafür, wie erfolgreich der Rechtspopulismus ist, liegt darin, wie die gemässigten rechten Parteien auf ihn reagieren.» Je schwächer die Konservativen, desto wahrscheinlicher geht er Deals mit ideologischen Extremen ein.

Erst hatten die konservativen Republikaner den Präsidentschaftskandidaten Donald Trump bekämpft, liessen sich dann aber auf einen Pakt ein. Dies ebnete dem Populisten Trump den Weg zum Sieg und an die Macht. In Frankreich hingegen stellten sich die Konservativen im zweiten Wahlgang der Präsidentschaftswahl 2017 entschieden gegen Populistin Marine Le Pen, nachdem ihr Kandidat François Fillon zu wenig Stimmen erreichte. - Keystone

Mechanismus auch in der Schweiz

Auch in der Schweiz befinden sich die bürgerlich-konservativen Traditionsparteien CVP und FDP, die in der Schweiz die gesellschaftlichen Eliten vertraten, seit Jahrzehnten in einem Abwärtstrend. Ihre Dauerkrise förderte den Aufstieg der rechtspopulistischen SVP.

Die traditionellen Konservativen Parteien CVP und FDP verlieren in der Schweiz kontinuierlich an Stimmen. Die rechtspopulistische Volkspartei profitiert dagegen von einem Aufschwung. - bfs/polithink.ch

In der Konsequenz nimmt die politische Stabilität der Schweiz ab, stellt die «Republik» fest. Blockaden und Orientierungslosigkeit würden die politischen Debatten um Rentenreform, Steuerreform oder die EU-Frage bestimmen. Folgt man der These Ziblatts, liegt das Problem dafür in der Schwäche der bürgerlich-konservativen Mitteparteien.

Daniel Ziblatt, «Conservative Parties and the Birth of Democracy», Cambridge Unversitiy Press 2017. - amazon.com