Schiesst Klima-Greta mit UN-Beschwerde über das Ziel hinaus?
Greta Thunberg lehnt sich derzeit weit aus dem Fenster und verärgert damit Trump, Macron und sogar Merkel. Schadet sie sich damit selber?
Das Wichtigste in Kürze
- Greta Thunberg und weitere Aktivisten haben eine Beschwerde eingereicht.
- Dass diese durchkommt, glaubt Rechtsexpertin Astrid Epiney nicht.
- Dennoch sei es eine clevere Idee, die weitreichende Folgen haben könnte.
Greta Thunberg und 15 weitere jugendliche Klima-Aktivisten haben gegen mehrere Nationen eine Beschwerde eingereicht. Mittels der UN-Kinderrechtskonvention werfen sie mehreren Nationen wie Deutschland und Frankreich vor, zu wenig für den Klimaschutz zu tun.
Eine klare Anschuldigung der Schwedin, kurz nachdem ihr «Todesblick» gegenüber US-Präsident Donald Trump viral ging.
Damit stösst Klima-Greta Frankreichs Präsident Emmanuel Macron vor den Kopf. Er habe das Gefühl, dass weder Frankreich noch Deutschland das Hauptproblem seien. «Sehr radikal» bezeichnete er das Vorgehen Gretas.
Auch die deutsche Kanzlerin Angela Merkel widersprach Thunberg und wirkte genervt. Lohnt sich dies? Was nutzt überhaupt eine solche Beschwerde?
«Das Kinderrechtsgremium ist keine Rechtsinstanz», sagt Astrid Epiney. Sie lehrt zum Völkerrecht an der Universität Fribourg.
Demnach kann das Gremium keinen der Staaten, gegen die die Beschwerde eingereicht wurde, rechtlich belangen. Und trotzdem sieht sie im Vorgehen der Klima-Aktivistin durchaus einen Nutzen.
Mehr als Symbolik
Mehr als «nur» einen rein symbolischen Nutzen. «Das Gremium formuliert Empfehlungen», führt die Rechtsprofessorin aus. Diese haben einen massgeblichen Einfluss auf die Auslegung des Abkommens und können damit die Rechtsentwicklung beeinflussen.
Zudem sieht Epiney einen weiteren Nutzen. «Diese Länder müssen Stellung beziehen – dies wiederum führt zu weiteren Diskussionen», sagt Epiney. Die Rechtsexpertin ist aber skeptisch, dass der Ausschuss in diesem Fall eine Verletzung der Konvention feststellen wird.
Vom Erfolg überzeugt ist Valentin Lang, jedoch nicht auf Beschwerde-Ebene. «Es handelt sich um eine innovative und - zumindest was die Debatte angeht - erfolgversprechende Form der ‹issue linkage› von Umweltpolitik und Kinderrechten», so Lang. «Issue linkage» steht für das Verknüpfen verschiedener Anliegen.
Auflehnung Gretas könnte Klimabewegung stärken
Lang forscht unter anderem zur internationalen Politik an der Universität Zürich. Ob die Beschwerde durchkomme, sei eigentlich sekundär. Lang: «Wenn unzureichende klimapolitische Massnahmen fortan als Verstösse gegen Kinderrechte wahrgenommen und ‹geframet› werden, wird das aus meiner Sicht die argumentative Position der Klimabewegung stärken.»
Doch es gibt noch einen weiteren Punkt. Wenn sich Länder wegen Abkommen rechtfertigen müssen, die nicht auf das Klima bezogen seien, könne dies einen indirekten Effekt auf die nationale Politik haben.
Anpassung wegen Image-Verlusts
Lang: «In der Forschung zeigt sich, dass vielen Ländern aufgrund von Reputationseffekten daran gelegen ist, Kritik und Anprangerung von internationalen Organisationen zu vermeiden.» Man könne bei der Beschwerde von einem «cleveren Schachzug» sprechen.
So gesehen wirken die scharfen Worte eines Macrons eher wie heisse Luft. Aktuell muss er ja nichts befürchten. Gleichzeitig spielt seine Empörung den Klimaaktivisten in die Hände – seine Worte erzeugten ein grosses mediales Echo.