Trinkwasser in 100'000 Haushalten verschmutzt – Bund wartet ab

Ein Pestizid-Wirkstoff verschmutzt das Trinkwasser. Die EU hat ihn nun verboten – der Bund reagiert verzögert, obwohl viele Haushalte betroffen sind.

Die Schweiz reagiert verzögert auf die Pestizid-Gefahr im Trinkwasser. (Symbolbild) - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Wegen Gefahr fürs Trinkwasser hat die EU den Pestizid-Wirkstoff S-Metolachlor verboten.
  • Die Schweiz reagiert mit sechs Monaten Verspätung.
  • Dabei ist das Trinkwasser in bis zu 100'000 Haushalten verschmutzt.

Der Pestizid-Wirkstoff S-Metolachlor wurde im Jahr 1998 in der Schweiz zugelassen. Seit 2023 dürfen Bauern mit Direktzahlungen den Wirkstoff nicht mehr einsetzen.

Der Grund: die Gefahr für Oberflächen- und Grundwasser. Wenn es um die Bekämpfung des Unkrauts Erdmandelgras im Anbau von Mais geht, erteilen die Kantone allerdings Sonderbewilligungen.

Die EU hat S-Metolachlor inzwischen den Riegel vorgeschoben. Im vergangenen Dezember wurde der Pestizid-Wirkstoff nach mehrmaliger Verlängerung der Genehmigung verboten. Der Stoff wird als «vermutlich krebserregend» eingestuft.

100'000 Haushalte im Mittelland betroffen

Anders in der Schweiz: Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) reagiert verzögert auf den EU-Entscheid. Denn: Die Pflanzenschutzmittelverordnung wird nur zweimal im Jahr angepasst, wie der SRFKassensturz» berichtet.

Somit werde das Verbot von S-Metolachlor und allen Produkten, die den Wirkstoff enthalten, den Pestizidherstellern erst am 1. Juli kommuniziert. Dabei sind hierzulande bis zu 100'000 Haushalte im Mittelland von der Trinkwasserverschmutzung betroffen.

Die Pestizidhersteller haben nach Eröffnung des Verbots 30 Tage Zeit, Beschwerde einzureichen. Tun sie dies nicht, wird den Kantonen ein neuer Grenzwert für S-Metolachlor mitgeteilt.

Neu dürfen dann nur noch 0,1 Mikrogramm des Pestizid-Wirkstoffs in einem Liter Trinkwasser vorkommen. Bisher waren 10 Mikrogramm erlaubt. Die Folge: Das Trinkwasser von bis zu 100'000 Haushalten muss verdünnt werden.

Kurt Seiler ist Kantonschemiker. Er ist unter anderem dafür zuständig, dass das Trinkwasser sauber ist. Bisher ist er aber vonseiten des Bundes noch nicht zur Regelung von S-Metolachlor im Trinkwasser informiert worden. «Es wäre wichtig, diese Angaben zeitnah zu haben», so Seiler.

Mischung von diversen Pestizid-Rückständen im Trinkwasser

Die Herstellerin Syngenta erklärt, man habe eine Risikobewertung durchgeführt. Dies auf der Grundlage einer konservativen Schätzung der Konzentration von relevanten Abbaustoffen im Trinkwasser.

Das Agrarunternehmen hält fest: «Von dieser Exposition geht kein Risiko für die menschliche Gesundheit aus.» Gegen das Verbot von S-Metolachlor will Syngenta keine Beschwerde einlegen.

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Auch Kurt Seiler sagt, es bestehe keine akute Gesundheitsgefahr. Aber: Die langfristige Wirkung kenne man nicht.

Zudem merkt er an, dass es auch Rückstände von anderen inzwischen verbotenen Pestizid-Wirkstoffen im Trinkwasser gebe. Und wie sich diese Mischung auf die Gesundheit des Menschen auswirke, könne man noch nicht sagen.