Niederlande-Wahl: Rotgrün, erste Frau oder Rechtsaussen Wilders?

Die Niederlande wählen ihr Parlament neu. Es wird ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen zwei rechten Parteien und einem linksgrünen Bündnis erwartet.

Geert Wilders, Parteivorsitzender der Partei für die Freiheit (PVV), während der Wahldebatte von EenVandaag «Die Zukunft der Niederlande». Sechs Parteiführer werden im Vorfeld der Wahlen zum Repräsentantenhaus miteinander debattieren. Einen Tag vor der niederländischen Parlamentswahl sagen Umfragen dem Rechtspopulisten Wilders grosse Gewinne voraus. Foto: Koen Van Weel/ANP/dpa - sda - Keystone/ANP/Koen Van Weel

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Niederländer wählen ein neues Parlament und damit die Nachfolge von Mark Rutte.
  • Es wird ein Kopf-an-Kopf-Rennen erwartet, viele Wähler sind unentschlossen.
  • Nach der Wahl rechnen Experten mit einer lange dauernden Koalitionsfindung.

Mit der Wahl eines neuen Parlaments stellen die Niederländer am Mittwoch die Weichen für eine neue politische Ära: Nach 13 Jahren unter dem rechtsliberalen Premier Mark Rutte steht möglicherweise ein Richtungswechsel bevor. Ein spannendes Kopf-an-Kopf-Rennen wird erwartet, wenn die rund 13,3 Millionen Wahlberechtigten die 150 Abgeordneten neu bestimmen.

Der niederländische Noch-Premier Mark Rutte. - keystone

Die Wahllokale schliessen um 21.00 Uhr. Zu diesem Zeitpunkt werden erste Prognosen erwartet. Definitive Resultate dürften aber erst in der Nacht auf Donnerstag bekannt werden.

Wilders mit geringer Chance, Koalition zu bilden

Erstmals könnte der Rechtspopulist Geert Wilders mit seiner Partei für die Freiheit (PVV) stärkste Kraft in der Zweiten Kammer werden. Die Zweite Kammer ist mit dem Nationalrat oder dem Deutschen Bundestag vergleichbar. Erst zwei Tage vor der Wahl sind die Werte für Wilders in den Umfragen sprunghaft gestiegen.

Wilders hat jüngst angekündigt, dass er seine harte Linie etwas entschärfen möchte: Der Rechtspopulist gibt sich versöhnlich und sei sogar beim Thema Islam zu Kompromissen bereit. Die Chancen, dass der 60-Jährige auch neuer Regierungschef wird, sind allerdings gering.

Geert Wilders hat auch im Falle eines Wahlsieges geringe Chancen auf den Posten des Regierungschefs. (Archivbild) - keystone

Denn unter einem Premier Wilders will kaum jemand in einer Koalition zusammenarbeiten. Und eine absolute Mehrheit wird den Umfragen zufolge keine Partei erringen. Nur vier Parteien kommen auf jeweils mehr als zwölf Prozent der Stimmen.

Erste Frau an der Spitze?

Etwa gleichauf mit der PVV liegt die rechtsliberale Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD). Deren Spitzenkandidatin Dilan Yesilgöz will Nachfolgerin ihres Parteifreundes Mark Rutte werden. Sie wäre die erste Frau an der Spitze der Regierung in Den Haag.

Pitbull auf Highheels? Die kurdischstämmige Dilan Yesilgöz verfolgt in der Migrationspolitik einen harten Kurs. (Archivbild) - keystone

Die 46-Jährige, kurdischstämmige Niederländerin verfolgt insbesondere in der Asylpolitik eine harte Linie. In der holländischen Presse wird sie als «Pitbull auf Highheels» bezeichnet – ein Kosename, der Yesilgöz selbst gut gefällt. Sie schliesst die Zusammenarbeit mit Wilders und seiner Partei nicht aus: Damit habe sie die PVV nach Ansicht von Kritikern salonfähig gemacht.

Links-Grünes Bündnis?

Ebenfalls Aussicht auf Erfolg haben nach den Umfragen zufolge die Sozialdemokraten und Grünen. Sie treten erstmals als Bündnis an und wollen mit ihrem Spitzenkandidaten, dem früheren EU-Kommissar Frans Timmermans, einen Rechtsruck verhindern. Der 62-Jährige hatte im Juli sein Amt als Klimaschutz-Kommissar in Brüssel niedergelegt, um die links-grüne Liste anzuführen.

Der ehemalige EU-Klimakommissar Frans Timmermans hat mit seinem links-grünen Bündnis ebenfalls intakte Wahlchancen. (Archivbild) - keystone

Mit seinen Plänen, Treibhausgasemissionen bis 2030 um 65 Prozent zu reduzieren, stösst er vornehmlich bei den Bauern auf viel Widerstand: Die Chancen Timmermans sind zusätzlich geschmälert, da der Themenkomplex Migration denjenigen des Klimaschutzes als wichtigstes Anliegen der Wählerschaft abgelöst hat.

Christlich-Sozialer Neuling?

Schliesslich hat auch der Christlich-Demokratische Pieter Omtzigt mit seiner jungen Partei «Neuer Gesellschaftsvertrag» intakte Wahlchancen: Der aufsteigende Superstar der niederländischen Politik verfolgt einen christlich-sozialen Kurs und verlangt neben strengeren Grenzkontrollen auch höhere Steuern für Reiche.

Auch der christlich-demokratische Neuling Pieter Omtzigt (vorne) könnte eine entscheidende Rolle bei der Regierungsbildung spielen. (Archivbild) - keystone

Auch ihm wird ein Wahlerfolg vorhergesagt und damit eine entscheidende Rolle bei der Regierungsbildung. Ob er im Falle eines Wahlsieges für das höchste Amt zur Verfügung steht, liess der 49-Jährige bis dato allerdings offen.

Viele Wähler noch unentschlossen

Der Ausgang der Parlamentswahlen ist kaum vorherzusagen. «Etwa 70 Prozent der Wähler sind noch unentschlossen», sagte Wahlforscher Peter Kanne vom Institut I&O Research.

«Viele werden strategisch wählen.» Der Wahlforscher erwartet, dass rechte Wähler Wilders und seinem Anti-Migrationskurs ihre Stimme geben, um eine möglichst rechte Koalition zu erzwingen. Dagegen würden andere Wähler nun erwägen, ihre Stimme dem rot-grünen Bündnis zu geben, um eine Koalition mit Wilders zu verhindern.

Wilders hatte sich im Wahlkampf betont milde gegeben. So hatte er seine umstrittenen Standpunkte gegen den Islam auf Eis gelegt. «Das hat jetzt keine Priorität», sagte er. «Ich stehe als Premier zur Verfügung».

Doch sein Parteiprogramm bleibt deutlich und fordert das Verbot von Moscheen und Koran. Ausserdem ist Wilders ein Verfechter des «Nexit», der Austritt der Niederlande aus der EU.

Koalitionsbildung wird lange dauern

Vermutlich müssen sich für eine Mehrheit mindestens drei Parteien zu einer Koalition zusammenfinden. Schon jetzt erwarten Beobachter ungeheuer schwierige Koalitionsverhandlungen – unabhängig vom Wahlergebnis.

Nach den letzten Wahlen hatte es fast zehn Monate gedauert, bis der rechtsliberale Mark Rutte sein viertes Kabinett präsentieren konnte.

Im Sommer nach nur knapp 18 Monaten war die Mitte-Rechts-Koalition dann am Streit um die Migrationspolitik zerbrochen: Rutte kündigte im Anschluss auch seinen Abschied aus der nationalen Politik an. Er ist jetzt etwa 13 Jahre Premier und will so lange im Amt bleiben, bis eine neue Regierung steht.

Bürger haben geringes Vertrauen in Staat

Themen dieses Wahlkampfes waren Migration, Wohnungsnot und Armut. Vor allem die rechten Parteien versprachen, den Zustrom von Arbeitsmigranten, Flüchtlingen, aber auch ausländischen Studenten drastisch zu reduzieren.

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