Spanien sahnt bei Gesundheitsstudien ab

Die Spanier leben neuen Studien zufolge gesünder als alle anderen Menschen der Welt. Auch haben sie eine hohe Lebenserwartung. Eine Hauptrolle spielt dabei die berühmte Mittelmeerdiät. Was machen die Südländer besser als die Deutschen?

Stand mit Gemüse und Obst in der Markthalle Antón Martín in Madrid. Foto: Carola Frentzen - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Deutsches Essen? Pachi rümpft die Nase.

«Zu fett, zu vitaminarm! Und ... darf ich ehrlich sein? Oft auch ungeniessbar», sagt die 70 Jahre alte Madrilenin.

Das Essen sei vor einigen Jahren einziger Negativpunkt eines einmonatigen Aufenthaltes bei Freunden in Berlin und Hamburg gewesen, erzählt die frühere Journalistin und Hobbymalerin der Deutschen Presse-Agentur. «Wir Spanier essen und leben unterdessen so gesund und ausgeglichen wie in kaum einem anderen Teil der Welt.»

Stimmt das? Eine Studie des US-Finanzunternehmens Bloomberg gibt der Frau, die jugendlich wirkt, Powerwalking macht und deren Vater erst jüngst mit 94 starb, Recht. Danach lebt es sich derzeit nirgendwo so gesund wie in Spanien.

«Vielleicht ist es irgendwas im Gazpacho oder in der Paella, aber Spanien hat gerade Italien als gesündestes Land der Welt überholt», heisst es in dem Bloomberg-Bericht augenzwinkernd. Tatsächlich hat das Land einen ordentlichen Sprung gemacht: Bei der letzten Erhebung 2017 lag es noch auf dem sechsten Rang. Deutschland belegt nur Platz 23.

Für die Auswertung wurden für 169 Nationen die Lebensgewohnheiten der Bevölkerung untersucht: Neben Daten für Übergewicht, Zigarettenkonsum, Gesundheitssystem und Lebenserwartung wurde auch die Ernährungsweise der Menschen verglichen. Und da haben die Spanier - ebenso wie die auf Rang 2 liegenden Italiener - dank ihrer «mediterranen Diät» scheinbar tatsächlich das Geheimrezept für ein langes Leben entdeckt.

Wie etwa durch den Verzehr des bereits erwähnten Gazpacho. Die kalte Gemüsesuppe, eines der Meisterwerke iberischer Kochkunst, wird unter anderem aus Tomaten, Gurken, Paprika, Zwiebeln und Knoblauch zusammengemixt - und ist nicht nur reich an Vitamin C, sondern soll auch entzündungshemmend wirken.

Die in Spanien seit 1996 existierende Stiftung Fundación Dieta Mediterranea, die auf ihrer Homepage unzählige Rezepte und Menüvorschläge veröffentlicht und unter anderem auch den regelmässigen, aber gemässigten Konsum von Rotwein empfiehlt, sieht vor allem Olivenöl als den Hauptdarsteller der Mittelmeerdiät schlechthin. Stiftungsexperte Ramón Estruch versichert unter Berufung auf mehrere Studien, dass fünf Suppenlöffel Olivenöl pro Tag das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen merklich minderten.

Für die Spanier handelt es sich allerdings um keine «echte Diät, die man sich aufzwingt, weil man abnehmen oder gesünder leben möchte», wie Pachi betont. «Wir haben unser Essen sozusagen im Blut, in den Genen, es gehört zu unseren Traditionen.» Sie liebe zum Beispiel unter anderem Mangold, Paella «mit viel Olivenöl, natürlich extra vergine» und den Cocido Madrileño, einen traditionellen Kichererbseneintopf aus der spanischen Hauptstadt.

«In Spanien werden deutlich mehr Gemüse, Obst und Hülsenfrüchte verzehrt als etwa in Deutschland. Und als Fettquelle steht Pflanzenöl im Vordergrund», bringt es Matthias Schulze vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung auf den Punkt. Es gebe mittlerweile gute Belege, dass eine pflanzenbetonte Kost günstig sei. «Dagegen sollte der Verzehr von rotem Fleisch und von verarbeiteten Fleischprodukten und der Konsum zucker-gesüsster Getränke eingeschränkt werden», so der Experte.

Die Mittelmeerdiät wirke sich vor allem bei der Vermeidung sogenannter kardiometabolischer Krankheiten positiv aus: «Dies umfasst sowohl den Typ-2-Diabetes als auch Herz-Kreislauferkrankungen», erklärt Schulze. Um den südländischen Ernährungsstil mit seinen frischen, vitaminreichen Zutaten auch im Norden populär zu machen, hat die Deutsche Herzstiftung ein Buch mit dem Titel «Mediterrane Küche - Genuss und Chance für Ihr Herz» publiziert.

Bereits heute leben die Spanier internationalen Studien zufolge länger als ihre Mitbürger in der Europäischen Union. Weltweit lag das Land 2016 auf dem vierten Platz, nur in Japan, der Schweiz und Singapur war die Lebenserwartung bei Geburt noch höher.

Das Institut für Gesundheitsmetriken und Evaluation (IHME) an der Universität Washington rechnete zuletzt vor, dass Spanien wohl bis 2040 auch hier die Führung übernehmen wird: Die Bürger von Sevilla bis Santander haben dann Schätzungen zufolge bei Geburt eine durchschnittliche Lebenserwartung von 85,8 Jahren. Die Deutschen wären nur 25. in der Weltrangliste, mit einem durchschnittlichen Sterbealter von 83,2 Jahren. Wichtigste Faktoren sind dabei hoher Blutdruck, Übergewicht, hohe Blutzuckerwerte, Tabak- und Alkoholkonsum sowie Luftverschmutzung.

Pachi kann die Statistiken von Bloomberg, IHME und anderen Organisationen nachvollziehen: «Einige junge Leute kaufen zwar heutzutage bei uns sehr viel Mist. Fertiggerichte und so. Aber das sind längst nicht alle.» Sie sitzt mit einem Bekanntenpärchen - 90 und 92 Jahre alt - auf der Strassenbank, schaut zum dunkelblauen Vormittagshimmel der Hauptstadt und fügt an: «Nicht nur das Essen ist wichtig. Sonne, Siesta, Spaziergänge, Sprechen, soziale Kontakte pflegen, Spass am Leben haben ... das ist unser Rezept.»