Wiener Blut
Eine Wiener Staatsanwältin mit ägyptischen Wurzeln landet im Visier böser Verschwörer - die es auch auf ihre pubertierende Tochter und deren Suche nach Identität abgesehen haben. Der Film «Wiener Blut» besticht mit politischen Fragen und starken Frauenfiguren.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Männerleiche baumelt schon über der Donau, als Fida Emam fast nackt zu ohrenbetäubenden Opernklängen aufwacht, doch da plagen die Wiener Staatsanwältin noch ganz andere Sorgen.
Erst muss sie ihrer musikbegeisterten Mutter Afifa im Wohnzimmer den Cognac abnehmen, dann die pubertär schmollende Tochter Aline vom Schulschwänzen abhalten. Der Vater mit dem Doppelleben hat sich mal wieder «geschlichen, in Socken, wie immer», ätzt der Teenager.
Dass sich um den ägyptischstämmigen Drei-Frauen-Haushalt da bereits ein kompliziertes Verschwörungsnetz von Demokratiefeinden aller Art zuzieht, offenbart sich erst langsam. Das ZDF zeigt den österreichischen Polit-Thriller «Wiener Blut» am Montag um 20.15 Uhr. Im Nachbarland war der Film bei der Erstausstrahlung im ORF vor einem Jahr ein Quotenhit.
Der Tote über der Donau, zu dem Staatsanwältin Emam (Melika Foroutan) gerufen wird, entpuppt sich als Ermittler der Finanzaufsicht, der einem geldwaschenden Banker (Harald Schrott) mit markantem Schmiss im Gesicht auf der Spur war. Diese Spur führt aber auch zu Imam Ahmed Rahimsai (Stipe Erceg, «Die fetten Jahre sind vorbei») und zu seinem islamischen Kulturverein. Nicht zufällig ist es genau der Verein, für den sich Aline (Noelia Chirazi) zu interessieren beginnt. Das Mädchen experimentiert hinter dem Rücken ihrer Mutter mit Kopftuch und Koran.
Während Emam zwischen Detektivarbeit und Visite bei der Schuldirektorin pendelt, wartet nicht nur ein Extremist darauf, dass die Falle um sie zuschnappt - zu Walzern wie dem Strauss-Stück «Wiener Blut» tanzt man eben zu zweit. «Wir werden Europa von euch reinigen», lächelt der Rechtsradikale im Anzug. «Dann werden die liberalen Muslime endlich begreifen, dass es keinen westlichen Islam gibt», antwortet der Islamist. «Die Demokratie ist nur eine Abweichung von der Geschichte», sagt der Rechte. Sie prosten sich mit Tee zu. Und in den Behörden verfolgt einer mit Wohlwollen, dass Aline und ihr Schulschwarm Djamal (Hassan Kello) Bleichlauge kaufen gehen.
Die Donau ist im Film eher grau als blau, im winterlichen Wien, das Regisseurin Barbara Eder grosszügig aus Luftbildern zeigt, kommt mehr Skandinavien-Feeling als Schmäh auf. Echte Thriller-Spannung stellt sich aber höchstens kurz vor dem grossen Showdown ein, auch wenn die gelungene Filmmusik von Johannes Vogel immer wieder Klassikstücke in für Frösteln sorgende Klangteppiche zerfasern lässt. Wärme bietet nur die Wohnung der drei Frauen, in der die aus Kairo ausgewanderte Oma Afifa (Charlotte Schwab), schön überzeichnet mit Seidenroben, Kajal und Simone de Beauvoir, ihrer Geigerinnenkarriere nachtrauert.
Melika Foroutan spielt ihre Staatsanwältin mit feinen Nuancen als Heldin und zugleich sich Überforderung kaum eingestehende Frau, die sich beim Versuch, allen gerecht zu werden, schon dann aufreiben würde, wenn nicht auch noch Alltagsrassismus («Is' des a Türkin?») dazu käme. «Die Figur hat mich aus zwei Gründen interessiert: Zum einen war es die Familiengeschichte um die drei Frauen und drei Generationen, die zusammenleben, zum anderen dieses sehr aktuelle Thema, das der Politthriller behandelt», erklärte Foroutan.
Die Frauenrollen und ihre Schauspielerinnen - der 18-jährigen Noelia Chirazi brachte ihr Spielfilmdebüt als augenrollender, haltsuchender Wiener Teenager den österreichischen Filmpreis Romy als beste Nachwuchsdarstellerin ein - tragen den Film (Drehbuch: Martin Ambrosch) auch über weniger glaubwürdige Momente und manch Klischee. Mitnehmen lässt sich die Frage, wer profitiert, wenn Fundamentalisten die Gesellschaft spalten - auch, wenn sie im wahren Leben wohl nicht immer als kalt grinsende Strippenzieher auf den Untergang anstossen.