Deshalb wird der Fachkräftemangel in der Schweiz weiter zunehmen
Ein Experte warnt vor demografischer Veränderung: Diese werde den Fachkräftemangel hierzulande noch weiter verschärfen. Doch es gebe eine mögliche Lösung.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter schrumpft in der ganzen Europäischen Union stetig.
- Darum haben auch andere Länder mit Fachkräftemangel zu kämpfen – und ergreifen Massnahmen.
- Dies macht es für die Schweiz immer schwieriger, nötige Fachkräfte aus der EU anzuwerben.
Die Schweizer Arbeitgeber stehen vor einer Herausforderung. In den kommenden Jahren werden mehr Menschen in den Ruhestand treten, als junge Arbeitskräfte nachrücken können. Bisher konnte diese Lücke durch Fachkräfte aus der Europäischen Union gefüllt werden.
Entsprechend ist die Zuwanderung aus der EU so hoch, wie seit 15 Jahren nicht mehr. Die Frage drängt sich auf: Wie lange noch? Denn auch die anderen europäischen Länder kämpfen mit der sogenannten «demografischen Lücke» – Arbeitskräfte fehlen überall.
«Es wird immer schwieriger, Leute aus der EU in die Schweiz zu holen», warnt Manuel Buchmann vom Forschungsbüro Demografik. Denn auch in Europa fehlen Arbeitskräfte, wie er gegenüber «SRF» erklärt.
Fachkräftemangel in Europa
Derzeit verstehe sich die Schweiz als Zuwanderungsmagnet: Alleine im letzten Jahr sind insgesamt 125'000 Personen aus dem EU-Efta-Raum zugewandert – am meisten davon aus Deutschland.
Doch gerade in unserem nördlichen Nachbarland schrumpft die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter besonders stark – um 13 Prozent bis 2043. Das wirkt sich auf die Abwanderungsrate aus: «Es müssten sich anteilsmässig mehr Deutsche entscheiden, in die Schweiz zu kommen als bisher, um nur das Niveau zu halten.»
Aber nicht nur Deutschland, sondern auch andere Länder wie Italien, Portugal und Spanien brauchten ihre Fachkräfte selbst, erklärt der Experte. Vermehrt würden diese Länder deshalb Anreize setzen, um diese Fachkräfte im eigenen Land zu halten oder Abgewanderte zurückzuholen.
So setze beispielsweise die portugiesische Regierung steuerliche Anreize, um Fachkräfte zu einer Rückkehr zu bewegen – mit Erfolg. Auch die Zahlen aus Deutschland zeigten, dass die Schweiz längst nicht mehr gleich attraktiv sei, wie vor ein paar Jahren. Denn die deutsche Kaufkraft habe im Vergleich zur Schweiz stark aufgeholt: Für Fachkräfte sei es deshalb wieder attraktiver, in Deutschland zu bleiben, so Buchmann.
Schweizer Strategien gegen den Fachkräftemangel
Insgesamt sei die Situation in der Schweiz weit weniger dramatisch, als in vielen anderen Ländern Europas: Trotzdem werden in den nächsten 20 Jahren über 240'000 Personen mehr in Rente gehen, als 20-Jährige in den Arbeitsmarkt eintreten. In Kombination mit einer verringerten Einwanderung von Fachkräften könnten aber auch den Arbeitgebenden in der Schweiz grosse Probleme erwachsen.
Gegenüber «SRF» schlägt Buchmann drei Strategien vor: Einerseits müssten Erwerbstätige motiviert werden, länger zu arbeiten. Andererseits müsste die Arbeit effizienter genutzt werden. Schliesslich müssten Schweizer Arbeitgebende versuchen, auch ausserhalb der EU Personal zu rekrutieren.
Trotzdem warnt Buchmann: Auch bei konsequenter Umsetzung dieser dreibeinigen Strategie werde es der Schweiz kaum gelingen, genügend Arbeitskräfte zu rekrutieren. «In den nächsten Jahren wird die Schweizer Wirtschaft wohl wegen fehlender Arbeitskräfte schrumpfen.»
Rekrutierung in Drittstaaten – oder Produktion auslagern
Denn das inländische Potenzial sei stark begrenzt, wie Buchmann erklärt: Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels könnten Arbeitnehmende neben höheren Löhnen auch kürzere Arbeitszeiten und Frühpensionierungen aushandeln. Aus diesem Grund sinke das Arbeitsvolumen insgesamt.
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Sollte die Schweiz mehr Arbeitskräfte ausserhalb der EU anwerben?
Was übrig bleibe, sei die Rekrutierung in Drittstaaten. Viele europäische Länder setzen auf diese Strategie und senken Einwanderungshürden. In der Schweiz jedoch ist diese Zuwanderung kontingentiert. Das sei politisch gewollt und werde sich in den nächsten Jahren trotz Druck aus der Wirtschaft nicht ändern, so Buchmann.
Severin Moser, der Präsident des Schweizer Arbeitgeberverbands, knüpft hier an: «Wir müssen diskutieren, wo wir geeignete Arbeitskräfte finden oder ausbilden können.» Der Wirtschaftsexperte ist überzeugt, dass Schweizer Unternehmen ansonsten gezwungen würden, einen Teil der Produktion auszulagern.