Gewerkschaften sind nach neuen Lohn-Zahlen sauer

2022 lag der Medianlohn in der Schweiz bei 6788 Franken brutto pro Monat. SGB-Chefökonom Daniel Lampart fordert nun dringend «gute Mindestlöhne».

lohn
Der Chefökonom beim Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB) zeigt sich über die Lohnentwicklung nicht zufrieden. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Der Medianlohn betrug 2022 6788 Franken brutto pro Monat.
  • Dies geht unter anderem aus der Lohnstrukturerhebung des BFS hervor.
  • Unterschiede zeigen sich je nach Ausbildung, Geschlecht, Region und Branche.

Im Jahr 2022 betrug der Medianlohn für eine Vollzeitstelle in der Schweizer Wirtschaft 6788 Franken brutto pro Monat. Heisst: Die Hälfte der Schweizer verdient weniger, die andere Hälfte mehr als das.

Dies geht aus den ersten Ergebnissen der Lohnstrukturerhebung 2022 des Bundesamtes für Statistik (BFS) hervor.

Die Lohnpyramide sei zwar zwischen 2008 und 2022 relativ stabil, schreibt das BFS. Trotzdem gebe es bemerkenswerte Unterschiede, je nach Wirtschaftszweig und Profil des Arbeitnehmers.

Gewerkschafter kritisiert Arbeitgeberschaft

Daniel Lampart, Chefökonom beim Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB), äusserte sich nicht sehr zufrieden. «Trotz guter Wirtschaftslage müssen wir feststellen, dass bei den Reallöhnen ein verlorenes Jahrzehnt droht.» Die höheren Löhne seien von der Teuerung aufgefressen worden.

Der Gewerkschafter kritisierte die Arbeitgeberschaft hart: Während der Teuerungsausgleich früher eine Selbstverständlichkeit gewesen sei, würden die Lohnverhandlungen heute mit nie da gewesener Härte geführt. Die Arbeitgeber würden sich nicht mehr dazu bekennen, dass jeder Lohn einigermassen zum Leben reichen sollte. «Immer mehr Haushalte haben Mühe, mit dem Geld über die Runden zu kommen.»

Lohn Medianlohn BFS
Der Medianlohn in der Schweiz steigt auf 6788 Franken brutto pro Monat, zeigt die Auswertung für 2022. - keystone

Laut Lampart braucht es dringend «gute Mindestlöhne», beispielsweise für Personen, die in Kitas oder in der Langzeitpflege arbeiten. Auch die Lehrlingslöhne müssten erhöht werden. Wenn keine Gesamtarbeitsverträge zustande kämen, müssten kantonale Mindestlöhne durchgesetzt werden.

Das sehen die Arbeitgeber anders: Der zunehmende Ruf nach kantonalen Mindestlöhnen entbehre jeglicher Grundlage, sagte Roland Müller, Direktor des Schweizerischen Arbeitgeberverbands (SAV). Es sei nicht am Gesetzgeber, Sozialpolitik über Mindestlöhne zu betreiben.

Gutverdienende verdienen noch besser

Die untersten zehn Prozent der Arbeitnehmer verdienten laut der Lohnstrukturerhebung weniger als 4487 Franken pro Monat. Die obersten zehn Prozent erhielten mehr als 12'178 Franken.

Insgesamt stiegen die Löhne der am besten bezahlten zehn Prozent um beachtliche 13,5 Prozent seit dem Jahr 2008. Die Mittelschicht verzeichnete das geringste Lohnwachstum mit einem Anstieg von lediglich etwa 11,5 Prozent.

Sind Sie zufrieden mit Ihrem Lohn?

Deutliche Unterschiede in den Gehältern zeigen sich, wenn man die verschiedenen Wirtschaftszweige betrachtet. In Branchen mit hoher Wertschöpfung liegen die Löhne deutlich über dem Median: in der IT (9412 Franken), der Pharmaindustrie (10'296 Franken), bei den Banken (10'491 Franken) und in der Tabakindustrie (13'299 Franken).

Vas Narasimhan Novartis
Vas Narasimhan, CEO des Schweizer Pharmakonzerns Novartis, spricht während der Generalversammlung in der St. Jakobshalle in Basel, am 5. März 2024. - keystone

Rund um den Median zu liegen kommen Baugewerbe (6410 Franken), Luftfahrt (6980 Franken), Maschinenindustrie (7245 Franken) und Grosshandel (7414 Franken). Am unteren Ende der Lohnpyramide standen Einzelhandel (5095 Franken), Gastgewerbe (4601 Franken), Hotellerie (4572 Franken) und persönliche Dienstleistungen (4384 Franken).

Lohnunterschiede zwischen Geschlechtern schrumpfen weiter

Das Lohngefälle zwischen Frauen und Männern in der Gesamtwirtschaft hat sich weiter verringert. Im Jahr 2022 betrug es 9,5 Prozent, im Vergleich zu 10,8 Prozent 2020 und 11,5 Prozent 2018. Diese geschlechtsspezifischen Lohndifferenzen können nur teilweise durch unterschiedliche Profile (wie Bildungsniveau oder Alter) oder Tätigkeiten erklärt werden.

Lohngleichheit Kundgebung
Lohngleichheit wird – wie hier an einer Kundgebung 2013 – immer wieder thematisiert. (Archivbild) - keystone

Je höher die Position in der Hierarchie, desto grösser ist der geschlechtsspezifische Lohnunterschied. So verdienten Frauen in Positionen mit hoher Verantwortung im Jahr 2022 durchschnittlich nur etwa 9500 Franken pro Monat. Männer auf derselben Stufe erhielten über 11'000 Franken.

Ausbildungsniveau als entscheidender Faktor

Generell spielt die Ausbildung eine wesentliche Rolle bei der Höhe der Löhne. So verdienen Arbeitnehmende mit Hochschulabschluss durchschnittlich 10'210 Franken pro Monat, während ein Fachhochschulabsolvent 9000 Franken erhält. Ein Arbeitnehmer mit einem EFZ-Abschluss verdient im Durchschnitt 6190 Franken.

Allerdings hängt das tatsächliche Gehalt auch stark von der Art des Jobs und den damit verbundenen Verantwortlichkeiten ab. Eine Person mit Universitätsabschluss in einer Position mit hoher Verantwortung kann bis zu 13'883 Franken verdienen. In einer Position ohne Verantwortung erhält sie nur etwa 8481 Franken.

Boni und Region machen viel aus

Im Jahr 2022 erhielt ein Drittel aller Arbeitnehmer einen Bonus. Der Wert dieser Boni stieg im Durchschnitt auf beachtliche 11'700 Franken.

Die Löhne variieren auch stark je nach Region. Die höchsten Medianlöhne für Führungskräfte wurden in der Region Zürich (11'758 Franken) und der Genferseeregion (11'111 Franken) verzeichnet. Das Schlusslicht bildet das Tessin mit 8755 Franken für Führungspositionen und 5184 Franken für Positionen ohne Führungsverantwortung.

Weiterlesen

Lohngleichheit
62 Interaktionen
15 Interaktionen