Staatsbetriebe ködern Politiker ans Filmfestival Locarno
Ist das noch Service public? Als Sponsor des Locarno Festival laden Bundesbetriebe Politiker ins Tessin ein und lassen sich dies auch etwas kosten.
Das Wichtigste in Kürze
- Staatsbetriebe laden Parlamentarier ans Filmfestival Locarno ein.
- Nebst Open-air-Kino auf der Piazza Grande ist theoretisch ein Rundum-Paket inbegriffen.
- Die SBB bietet Kostenübernahme für Anreise, Essen und Übernachtung an.
Sie wollen gratis ans Filmfestival Locarno, mit Znacht im Grotto oder Party ab 23 Uhr? Tja, hätten Sie sich mal ins Parlament wählen lassen! National- und Ständeräte werden dieser Tage eingedeckt mit Einladungen von Locarno-Sponsoren. Aber nicht nur Banken, Versicherungen oder Kaufhausketten. Sondern auch Sponsoren, die zufälligerweise auch bundeseigene Betriebe sind.
SBB, SRG und Post
Sponsoren wie Logistikpartner «Post» (ja, diese Post), der auch dieses Jahr einen kostenlosen Shuttlebus-Betrieb mit Postautos (ja, Postautos) anbietet. Und darum Gelegenheit sieht, «einmalig Gäste einzuladen und mit Kunden in Dialog zu treten», wie Mediensprecher Oliver Flüeler gegenüber Nau bestätigt.
Die Einladungen würden nach der Sommersession verschickt. Ob Parlamentarier jetzt eher Gäste oder Kunden sind? Wobei: Sind wir das nicht alle? Jedenfalls: Wenn der gelbe Riese mit SBB und SRG mithalten will, heisst es «Klotzen, nicht kleckern». Ideal – aus Politikersicht – wäre ein Anlässli am 3. August, dankschönvillmol.
Inklusive Übernachtung mit Partner
So könnte die Post die ereignislose Zeit zwischen den beiden anderen Staats-Festen überbrücken helfen, wenn man mal davon absieht, dass daneben auch ein Filmfestival stattfindet. Gemäss Nau vorliegenden Unterlagen bietet die SBB in der Nacht vom 2. auf den 3. August ein Nachtessen im «typischen Tessiner Grotto» und anschliessende Filmvorführung auf der Piazza Grande an.
Weil dann kein Zug des Transportpartners SBB mehr fährt: Inklusive Übernachtung «mit einer Begleitperson». Am Samstag 4. August steigt die Party der SRG. Sie beginnt um 23 Uhr und nennt sich «Nuit blanche», womit gemeinhin eine «schlaflose Nacht» gemeint ist. Und in diesem Fall eine geschlossene Gesellschaft, sagt SRG-Medienchef Edi Estermann zu Nau: «Es ist ein Empfang der SRG für Produzenten, Regisseure, Schauspieler, Kameraleute und weitere Filmexperten aus der ganzen Schweiz.» Und für Parlamentarier.
Wer sich bezahlen lässt, ist selber schuld
Während die SRG zumindest vordergründig nur den Zutritt zu ihrer «Weissen Nacht» anbietet, könnte man sich bei der SBB allein für sein Erscheinen fürstlich entlöhnen lassen. Könnte, denn die SBB greift in die Trickkiste: Auf der Anmeldung soll aktiv angekreuzt werden, was man selbst zu zahlen gedenkt (s. Bildstrecke).
So kann jeder Politiker selbst entscheiden, inwieweit er sich einseifen lässt: Er hätte halt «Bitte organisieren Sie für mich auf eigene Kosten eine Übernachtungsmöglichkeit» ankreuzen müssen. Warum genau Politiker bessere Politiker werden, wenn sie dank SBB im Grotto essen oder dank SRG eine schlaflose Nacht verbringen – das sei dahingestellt.