Wahlkampfbudgets: Nein, es gibt keine Transparenz
Parteien und Kandidierende müssen ihre Wahlkampfbudgets offenlegen. Wird jetzt alles gut? Ein Kommentar.
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Nau.ch - Pascal Stirnimann, Direktor EFK im Interview mit Nau.ch zu den offengelegten Beträgen für die Wahlen 2023
Das Wichtigste in Kürze
- Für die Wahlen 2023 müssen erstmal alle Kampagnenbudgets offengelegt werden.
- Wirklich alle? Nein, gallischen Dörfern gleich leisten einige Widerstand.
- Nicht weiter schlimm? Da könnten Sie sogar recht haben. Ein Kommentar.
Dank der Transparenz-Initiative müssen erstmals bei nationalen Wahlen Spenden und Budgets offengelegt werden. Nun wissen wir es also: Nicht die SVP, sondern die FDP hat das höchste Budget. Trotz traditioneller Mega-Spende von SVP-Parteivater Christoph Blocher, von der wir jetzt auch wissen, wie hoch sie wirklich ist.
Wir wissen, wie viele Zehntausende Franken jede Kandidatin und jeder Kandidat auszugeben gedenkt. Wir wissen, woher die Spenden kommen: Auch von Wirtschaftsverbänden, nicht nur von Milliardären. Und von zig mehr oder minder kleinen Fischen, deren Spenden ebenfalls offengelegt wurden.
Beträge, die die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) fein säuberlich auflistet und die zusammengerechnet über 50 Millionen Franken ergeben. Es gibt nur ein Problem: 50 Millionen sind saumässig viel Geld für ein bisschen Altpapier und lustige Wahlkampfspots; aber das hab ich gar nicht gemeint. Okay, es sind zwei Probleme.
Wollt ihr die absolute Transparenz?
Ah nein, es sind, wenn ich mir das so recht überlege, ganz viele Probleme. Denn was transparent aussieht, ist ziemlich undurchsichtig. Das sagt zuallererst EFK-Direktor Pascal Stirnimann selbst: «Will man die absolute Transparenz oder ist man schon mal froh, dass man mehr Transparenz hat als zuvor?» Was wiederum auch nur eine Seite der Medaille ist, und diese ist, Sie ahnen es, nicht transparent.
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Begrüssen Sie die Transparenzregeln bezüglich Kampagnenbudgets?
Es beginnt damit, dass alles irgendwo auch Grenzen hat: Beträge unter 15'000 Franken und Kampagnen unter 50'000 Franken muss man nicht angeben. Mit einigem Augenrollen hat die EFK übereifrige Spender auch kleinere Beträge deklarieren lassen, aber wo kämen wir denn da hin, nicht, oder.
Nun mag man einwenden: Vernachlässigbar, weil so in der allgemeinen Grössenordnung wird es ja dann schon öppen stimmen. Und woher wollen wir das wissen wollen? Schon 100 Einzelspenden über 14'999 Franken machen mehr aus als der offizielle Kampagnenbudgetunterschied von FDP und SVP. Verteilt man zehn solcher vernachlässigbarer Spenden auf drei Kampagnen, fliegen diese ebenfalls unter dem Radar – wegen 3 Franken und 33 Rappen.
Teile und herrsche
Das lateinische Bonmot «divide et impera», wörtlich «teile und herrsche», war zwar nicht so gemeint, aber macht hier so Sinn. Denn wenn eine Grossspende nicht an Bedingungen geknüpft ist, verschwindet sie plötzlich im Grundrauschen. Zufälligerweise wissen wir, dass Sika-Erbin Carmita Burkard nicht eine halbe, sondern eine ganze Million den Grünen vermacht hat. Nur ist die Hälfte davon offenbar an irgendwelche Kantonalsektionen geflossen und von dort noch einmal in irgendwelche Unterkässeli.
Weil diese Kampagnen oft weniger als 50'000 Franken budgetieren, unterliegen sie nicht den Offenlegungs-Bestimmungen. Nun wollen wir Frau Burkard sicher nicht bösen Willen unterstellen. Aber umgekehrt ergeben sich aus der ersten Runde Wahlkampf-Transparenz eine ganze Reihe von Anschauungsbeispielen, was man mit bösem Willen tun könnte.
«Wir wollen unter keinen Umständen eine Anleitung zum Schummeln geben», betont Pascal Stirnimann. Um ein leuchtendes Beispiel an Transparenz zu sein, weist die EFK aber auf diverse Fallstricke gleich selbst hin, sollte man sich an die Auswertung der Zahlen wagen.
Kaufkraft nein, Klima ja
Dass gewisse Personen mehrfach in der Datenbank vorkommen, ist bestenfalls mühsam, sofern man jedes Mal dran denkt, dass ein Name mit oder ohne Sonderzeichen geschrieben sein könnte. Oder zweite Vornamen, Namen mit Bindestrich oder schlicht Tippfehler den digitalen Assistenten auf den Holzweg bringen.
Werden von einer Kampagne mehre Kandidaten unterstützt, heisst das nicht automatisch, dass alle gleich viel erhalten. Und überhaupt, was ist schon eine Wahlkampagne – und was nicht? Die Kaufkraft-Demo der Gewerkschaften vom vergangenen Samstag jedenfalls nicht. Obwohl sich diverse Parteien von Links bis Mitte die Kaufkraft ins Wahlprogramm geschrieben haben, deklarierte man dieses Budget nicht.
Anders die Klimademo vom 30. September: Die in der «Klima-Allianz» zusammengeschlossenen Verbände haben brav ihr Budget von 337'000 Franken offengelegt. Obwohl die Veranstalter sogar noch dazuschreiben, sie seien imfall parteipolitisch neutral und wollten nur bitz die Bevölkerung an den Klimaschutz erinnern.
Zustände sind das
Vollends vertrackt wird es, wenn nicht Parteien oder Personen, sondern Stiftungen, Branchenverbände oder Komitees das Geld sammeln und in Kampagnen fliessen lassen. Werden kleinere Beträge auf verschiedene Kantonalsektionen oder einzelne Kandidaturen verteilt, ist die Öffentlichkeit aussen vor. Kommen die Spenden zwar praktisch gesehen von derselben Person, aber technisch von verschiedenen Konti oder Institutionen, die diese Person kontrolliert, lässt sich die Deklarationspflicht umgehen.
Man mag es sich schon gar nicht ausmalen: Verschiedene Stiftungen «spenden» sich gegenseitig Geld knapp unter dem Minimalbetrag von 15’000 Franken. Sie finanzieren damit nicht eine, sondern mehrere Kampagnen für die gleiche Person oder die gleiche Partei, aber jede Kampagne für sich budgetiert weniger als 50'000 Franken. Was, natürlich, reiner Zufall ist. Auch, dass die Plakate genau gleich aussehen.
Dies gemahnt an die Situation in den USA, wo man wohlmeinend Kampagnen-Finanzierungs-Gesetze beschloss. Und nun sogenannte «Super PACs» Kampagne für Kandidaten machen, ohne sich – weil gesetzlich verboten – mit diesen abzusprechen. Auch nicht beim gemeinsamen Mittagessen.
Wir wissen, dass wir nichts wissen
Ist die ganze Transparenz bei der Kampagnenfinanzierung also eine einzige Alibi-Übung, gar noch kontraproduktiv? Wir wissen zwar ein bisschen was, und das immerhin offiziell.
Dass bei der SVP viel Geld von Christoph Blocher und Walter Frey stammt, wussten wir vorher aber auch schon. Dass Wirtschaftsverbände bürgerliche Kandidaturen unterstützen, haben wir uns im Traum ausmalen können. Dass einzelne Mäzene für einen guten Zweck, wie eine überteuerte Wahlkampf-App, mal was springen lassen, lässt sich ihnen leider nicht ausreden.
Wir wissen nach wie vor aber nicht, wer nun alles am Tropf der Firma X hängt, der Branche Y noch einen Gefallen schuldet oder nur stellvertretend für Person Z im Parlament die Drecksarbeit macht. Weil die offengelegten Spenden und die budgetierten Ausgaben um einen Faktor fünf auseinanderliegen. Und weil jetzt alle mitbekommen, wo die Defizite der Transparenz-Regeln liegen.
Nichts Neues in sämtlichen Himmelsrichtungen
War jetzt die ganze Übung für die Katz oder wahlweise für eine vegane Variante? Haben unsere Politiker versagt oder «versagt» und sind wieder mal schuld an allem? Nein, denn immerhin haben sie sich nicht selbst gewählt, sondern das war das Stimmvolk. Wir haben die National- und Ständeräte, die wir verdienen.
Denn den Trick mit den Stiftungen haben die Kampagnen-Zampanos nicht erst seit der Transparenz-Initiative erfunden. Wer wohl ungefähr von wem Geld erhält und nachher in deren Verwaltungsrat oder «Think Tank» sitzt, hätte man ahnen können. Aber es war uns meistens irgendwie schnuppe. Wir könnten es jetzt noch etwas detaillierter haben, aber dazu müsste man das Excel-File der EFK durchackern.
Ist also das Stimmvolk schuld, wenn die Politik intransparent bleibt und von Partikularinteressen geprägt ist? Die EFK zuckt unschuldig mit den Schultern und verweist auf die Journalisten, die sich doch auf jede Ungereimtheit stürzen könnten. Aber ich sag ihnen was: Wir haben die Journalisten, die wir verdienen. Das haben Sie jetzt nicht von mir – aber immerhin wissen Sie jetzt, dass alles gut kommt.