Wahlen 2023: Grüne bezahlen simples Handy-Game mit Millionenspende
Die Grünen erhielten im Juli die grösste Einzelspende ihrer Geschichte: Eine Million Franken. Mit dem Zustupf wurde eine Wahlkampf-App lanciert – mit Erfolg?
Das Wichtigste in Kürze
- Die Grünen wollen eine Wahlschlappe am 22. Oktober 2023 mit allen Mitteln verhindern.
- Jetzt haben sie eine Smartphone-App entwickelt, welche die Wählerschaft mobilisieren soll.
- Bisher sind knapp 1600 Personen registriert – trotz Kosten von mehr als 100'000 Franken.
Was tun, wenn das Wahlkampfbudget plötzlich aus allen Nähten platzt? Mit dieser Frage sahen sich die Grünen um Parteipräsident Balthasar Glättli kürzlich konfrontiert: Diesen Sommer hatte die Partei die grösste Einzelspende in ihrer Geschichte erhalten – eine Million Franken für die Wahlkampfkasse.
Die Finanzspritze vonseiten der Gründerfamilie eines internationalen Baustoffkonzerns mit Sitz im Kanton Zug war an eine einzige Bedingung geknüpft: Das Geld soll in die Kampagne für die Wahlen 2023 fliessen.
Letztlich hatte sich die Linkspartei dafür entschieden, damit die Entwicklung einer neuen Smartphone-App zu finanzieren: Mit «Avanti Verdi» soll das Klima geschützt werden – und das ganz bequem von zu Hause aus.
Im dazugehörigen Newsletter erklären die Grünen: Die App diene als Unterstützung, um grünes «Engagement für eine lebenswerte Zukunft» zu koordinieren – «überall, effizient und unterhaltsam!»
Spielerischer Aktivismus?
Im Grunde ist «Avanti Verdi» ein Spiel. Ziel ist es, sogenannte «Heldenpunkte» zu sammeln und auf einer Rangliste nach oben zu klettern. Die Punkte werden für «To-dos» vergeben, welche von den kantonalen oder der nationalen Partei gestellt werden.
«Sammle zehn Unterschriften für die Klimafonds-Initiative» oder «Lies das Kapitel ‹Klimakrise bekämpfen› in der Parteiagenda», um zwei Beispielaufgaben zu nennen. Wie viele Punkte für eine Aufgabe vergeben werden, sei von Aufwand und Bedeutung derselben abhängig.
Wählermobilisierung auf Vertrauensbasis
Die App verwendet eine Zwei-Faktoren-Authentifizierung, um Benutzer vor Trollen und Fake-Accounts zu schützen, wie Fabienne Engler auf Anfrage mitteilt. Daneben existieren in «Avanti Verdi» allerdings keinerlei Möglichkeiten, einen Nachweis für erledigte Aufgaben einzufordern: «Wir zählen auf die Ehrlichkeit der Kandidierenden und der Aktivisten und Aktivistinnen.»
Dies gilt im Übrigen auch für die gegenwärtigen Spitzenreiter in «Avanti Verdi»: Welche Aufgaben Nationalratskandidatin Antonia Durisch oder Parteipräsident Balthasar Glättli erledigt haben, lässt sich nämlich nicht einsehen.
Derzeit ist «Avanti Verdi» nur im «App Store» von Apple erhältlich, nicht aber in «Google Play» – absichtlich: «Die Funktion ‹Add to Homescreen› auf Android-Smartphones erlaubt es, eine Website als App zu speichern», erklärt Engler. «Das ist das Endresultat, welches uns wichtig war – eine App auf dem Homescreen. Eine App für ‹Google Play› hätte einen Zusatzaufwand ohne Mehrwert bedeutet.»
Wahlen werden durch Mobilisierung gewonnen
Jüngst deuten zahlreiche Umfrageergebnisse darauf hin, dass sich die Linkspartei im Oktober bei der Wählerschaft einen Denkzettel abholt. Die Grünen sind jedoch überzeugt: «Wahlen werden in der Schweiz nicht durch Umfragen entschieden, sondern hauptsächlich durch den Grad der Mobilisierung.»
Auch die Medienverantwortliche Fabienne Engler betont: «‹Avanti Verdi› ist ein enormes Plus für unsere Mobilisierung! Mit der App sind die Grünen auf dem Smartphone und damit in der Hosentasche von tausenden Aktivisten und Aktivistinnen präsent.» Nach den Wahlen 2023 soll die App überdies für Unterschriftensammlungen vermehrt zum Einsatz kommen.
Wenige Heldinnen und Helden gefunden?
Die spielerischen Anreize scheinen zu funktionieren – wenigstens teilweise. Zahlreiche Kandidierende haben bereits fleissig Punkte gesammelt. 467 sind auf dem Konto von Antonia Durisch, 410 auf demjenigen von Balthasar Glättli.
Jenseits der eigenen Parteigrenzen scheinen die Grünen bis dato allerdings noch nicht viele «Heldinnen und Helden» gefunden zu haben: Gemäss Bestenliste haben seit Lancierung der App weniger als tausend Benutzer und Benutzerinnen Punkte gesammelt. Insgesamt haben sich 1591 Personen bei «Avanti Verdi» registriert, erklärt Engler auf Anfrage.
Kostenpunkt für die Entwicklung der Smartphone-App: 100'000 bis 150'000 Franken, wie Engler verrät. Folglich haben die Grünen nicht die gesamte Millionenspende für «Avanti Verdi» verwendet. Gleichzeitig würden ihre politischen Widersacher an dieser Stelle wohl einwenden, verantwortungslose Fiskalpolitik sei ohnehin Teil des Grünen Parteiprogramms.