Reisebüros im Aufwind
Jede noch so kleine Reiseleistung kann online einzeln erworben werden. Trotzdem strömen wieder mehr Menschen ins Reisebüro und buchen All-in-one Pauschalreisen. Sie suchen Einfachheit und Sicherheit, die nicht teurer sein muss.
Das Wichtigste in Kürze
- In Zeiten von Terrormeldungen aus touristischen Zielen erfreuen sich Reisebüros wieder grösserer Beliebtheit.
- Der Schweizer Reiseverband (SRV) sieht einen klaren Zusammenhang mit den kulanteren Um- oder Abbuchungsbedingungen.
- Viele Kunden seien nach Negativerfahrungen mit individuellen Online-Buchungen zurückgekehrt, bestätigt ITS Coop Travel.
Das Internet ist ein Reisegemischtwarenladen. Auf einem Portal den Flug buchen, dort ein Hotel zum Schnäppchentarif, hier das Mietauto und zuletzt via Google einen lokalen Anbieter für den Tauchkurs ausfindig machen.
Die unschöne Überraschung folgt, wenn zwei Monate vor Abreise ein abrupter Jobwechsel ansteht, der Hund zuhause erkrankt oder die Freundin schlussmacht. Die Ferien fallen ins Wasser, bereits einbezahlte Gelder werden kaum mehr rückerstattet. Bei der modularen Reservation von Reiseleistungen, besonders bei Flügen, fallen oft bereits ab dem Buchungszeitpunkt erhebliche Stornogebühren bis zu 100 Prozent an. Vor solchen Totalverlusten ist geschützt, wer seine Ferien als klassische Pauschalreise im Reisebüro bucht. Bis 30 Tage vor Abreise kann diese gegen eine kleine Gebühr sogar ohne Begründung annulliert werden. Bei kurzfristigen Absagen mit plausiblen Argumenten gelangt die Stornoversicherung zur Anwendung.
Mehr Kulanz bei Stornierungen
Dass Reisebüros und Pauschalreisen bei Konsumenten wieder viel höher im Kurs sind als noch vor einigen Jahren, hängt ganz wesentlich mit diesen kulanteren Um- oder Abbuchungsbedingungen zusammen. «In Zeiten von Terrormeldungen auch auf touristische Ziele möchten vor allem Familien im Vorfeld ihrer Ferien kurzfristig auf Ereignisse reagieren und umdisponieren können», erklärt Andi Restle, Geschäftsführer des Pauschalferienanbieters ITS Coop Travel.
Viele Kunden seien nach Negativerfahrungen mit individuellen Online-Buchungen zu ITS Coop zurückgekehrt, weiss Andi Restle. «Die Vorteile der Pauschalreise beschränken sich nicht nur auf die flexibleren Umbuchungsbedingungen vor den Ferien, sondern kommen besonders auch im Falle von Unregelmässigkeiten während den Ferien zum Tragen.» Bei Flugverspätungen oder -ausfällen bis hin zu notfallmässigen Evakuierungen werden Leistungen wie Transfers und Hotel vom Reiseveranstalter automatisch angepasst. Wer im Internet Einzelleistungen gebucht hat, ist in solchen Momenten auf sich alleine gestellt und beisst sich womöglich im telefonischen Kontakt mit Callcenters die Zähne aus. Beim Vulkanausbrauch auf Island im Jahr 2010, der wochenlang den transatlantischen Flugverkehr lahmlegte, war die entsprechende Schadensumme gigantisch.
Den Trend hin zum Reisebüro bestätigt auch Walter Kunz vom Schweizer Reise-Verband (SRV). «Die Konsumenten haben ein erhöhtes Sicherheitsbedürfnis und wählen deshalb vermehrt wieder das Reisebüro, weil sie sich da in sicheren Händen wissen und unkompliziert umbuchen können. Zudem stellen wir fest, dass die Konsumenten als Folge der verschiedenen Terroranschläge in den Jahren 2014 bis 2016 bis heute entweder sehr früh buchen oder dann sehr spät».
Kaum Preisvorteile bei Online-Buchung
Bleibt noch die Preisfrage. Der Einkauf von Einzelmodulen im Onlinebasar sei deutlich günstiger als die organisierte Pauschalreise und wiege Nachteile bezüglich Sicherheiten in seltenen Notfällen mehr als auf, sagen die überzeugten Internet-Ferienbucher. «Auch dieses Gerücht ist heute falsch», sagt Andi Restle, räumt jedoch ein, dass es in Vergangenheit oft stimmte. «Für klassische Pauschalreisen werden Leistungen im Voraus eingekauft und quasi ins Regal gestellt.» Beim Buchen von Einzelleistungen könne man je nach Zeitpunkt und Verfügbarkeit vor allem von tiefen Flugpreisen profitieren und so in der Tat einen Vorteil gegenüber der Pauschalreise erzielen.
Um diesen Preisnachteil auszumerzen, haben viele Veranstalter die Technik des «Dynamic Packaging» entwickelt. Im Gegensatz zur klassischen Produktion wird die Reise zum Zeitpunkt der Anfrage produziert respektive eingekauft. «Auf diese Weise entsteht kein Nachteil gegenüber einer Buchung von Einzelleistungen», so Andi Restle. Selbstverständlich würden die inbegriffenen Leistungen einer Pauschalreise wie Transfers oder Betreuung einen gewissen Mehrpreis rechtfertigen. Anderseits kann die Paketierung von Leistungen zu einem Pauschalarrangement preislich sogar vorteilhafte Skaleneffekte erzielen.
Diese Logik dürfte auch jedem Internet-Shopper klar sein: Wer sich Hemd, Hose und Schuhe beim selben Modeportal zum Outfit-Package zusammenstellt, erhält womöglich Rabatt und bezahlt weniger Versandkosten, als wenn er bei drei verschiedenen Anbietern ordert. So ist das auch bei den Ferien.
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