Schlag gegen die Doping-Mafia - Über 230 Festnahmen
Mit der «Operation Viribus» gelingt in einer konzertierten Aktion von Polizeibehörden aus 33 Ländern ein grosser Fahndungserfolg gegen die organisierte Doping-Kriminalität. Die Ermittlungen zielten auf den Freizeitsport. Spitzenathleten könnten aber Kunden gewesen sein.
Das Wichtigste in Kürze
- Es ist der grösste Schlag gegen die weltweit organisierte Doping-Kriminalität.
Bei der Anti-Doping-Razzia in Europa, den USA und Kolumbien sind europäische Sicherheitsbehörden in 33 Ländern gegen den Handel mit Anabolika und gefälschten Medikamenten vorgegangen.
Bei der «Operation Viribus» seien rund 3,8 Millionen Dopingmittel - darunter allein 24 Tonnen Steroidpulver - und gefälschte Medikamente sichergestellt, 17 organisierte Banden enttarnt sowie 839 Verfahren eingeleitet worden, teilte die europäische Polizeibehörde Europol mit.
Die Substanzen seien sowohl online als auch in Fitnesscentern oder illegalen Läden verkauft worden. «In den vergangenen 20 Jahren hat der weltweite Handel mit Anabolika dramatisch zugenommen», so Europol. Konsumenten seien vor allem «Fitnesscenter-Süchtige» sowie Bodybuilder. Der Verkauf dieser Mittel an Hobby- und Freizeitathleten sowie ambitionierte Seniorensportler ist ein Milliarden-Geschäft.
«Wir lernen aus dem Fall, dass es offensichtlich einen grossen Markt gibt. Nur wenn es einen grossen Markt gibt, werden Importe und Strukturen dieser Art aufgebaut», sagte Mario Thevis, Chef des Doping-Analyselabors in Köln. Valide Zahlen, wie gross die Zahl der Freizeit- und Hobbysportler in Deutschland ist, gibt es nicht. Sicher ist, dass es einen grossen Bedarf am Konsum der leistungssteigernden Mittel gibt.
Denn bei der Razzia haben die Polizeifahnder auch in Deutschland zugeschlagen. 463 Verfahren sind eingeleitet worden, Festnahmen hat es nach Angaben des Zollkriminalamtes in Köln vom Dienstag aber nicht gegeben. Bei der Polizeiaktion waren 234 Verdächtige festgenommen worden. Auch wenn man erst am Anfang der Ermittlungen stehe, dürften sich diese vor allem gegen Freizeitsportler richten, sagte die Sprecherin des Kölner Zollkriminalamtes, Ruth Haliti, der Deutschen Presse-Agentur: «Die Wahrscheinlichkeit ist gross.»
Ein Hinweis, dass bei der «Operation Viribus» auch der Spitzensport ins Visier genommen wurde, ist die in der Europol-Mitteilung angegebene Zahl von 1357 Doping-Kontrollen (Blut- und Urintests), die veranlasst wurden. «Man kann nicht ausschliessen, dass der eine oder andere Kunde aus dem Leistungssport kommt», meinte Thevis.
Für DOSB-Präsident Alfons Hörmann zeige die konzertierte Aktion von Welt-Anti-Doping-Agentur und internationalen Ermittlungsbehörden eindrucksvoll, «wie denen begegnet werden muss, die betrügen und manipulieren». Somit sei es «ein guter Tag für die Chancengleichheit im Spitzensport» und gleichzeitig eine wertvolle Aktion, «um auch den Medikamentenmissbrauch im Breitensport zu bekämpfen», sagte der Chef des Deutschen Olympischen Sportbundes.
An dem Einsatz unter Federführung der italienischen und griechischen Polizei war auch die WADA beteiligt. Der deutsche WADA-Chefermittler Günter Younger zeigte sich zufrieden mit den Ergebnissen und der Einbeziehung der Agentur. Diese Zusammenarbeit bringe echte Resultate und könne einen bedeutenden Einfluss auf die Verfügbarkeit verbotener Substanzen haben. «Wir stehen bereit, um diese Art von Rolle in einer jeglichen, andauernden Operation fortzusetzen», sagte Younger einer Mitteilung der WADA zufolge.
«Nur so geht es», meinte Dagmar Freitag, die Vorsitzende des Sportausschusses im Deutschen Bundestag. «Diese bislang beispiellose Aktion zeigt, dass staatliche Ermittlungsbehörden - national wie international - im Kampf gegen Doping schlichtweg unverzichtbar sind», sagt die SPD-Politikerin der Düsseldorfer Zeitung «Rheinische Post». «Wenn man allein das Volumen der jetzt sichergestellten Substanzen betrachtet, wird klar, dass wir es hier mit Wirtschaftskriminalität in beträchtlichem Ausmass zu tun haben.»
Auch das Internationale Olympische Komitee begrüsste die Aktion. «Es ist entscheidend, die Händler und Produzenten ins Visier zu nehmen, die Doping im Sport ermöglichen und diese kriminelle Industrie vorantreiben», hiess es in einer Stellungnahme. Für die Nationale Anti-Doping-Agentur ist die Razzia ein beispielgebender Erfolg. «Die bisherigen Ermittlungsergebnisse von Europol zeigen, wie wichtig es ist, über Landesgrenzen hinweg zu ermitteln, um Doping-Netzwerke aufzudecken», hiess es in einer Mitteilung.
Der immense Schlag gegen die internationale Doping-Mafia ist kein Erfolg auf Dauer. «Die Dopingindustrie in ihrer Gänze ist natürlich noch viel grösser», erklärte der Doping-Experte Fritz Sörgel beim Internetportal «Sportzbuzzer». Wenn man 234 Leute festnehme und 17 Gruppen des organisierten Verbrechens bezichtige, dann sei das bemerkenswert. «Nur wird das - wie in der Drogenszene auch - nach einer gewissen Zeit weggesteckt. Und dann geht das Spiel halt von neuem los», meinte Sörgel.
Aktuell laufen auch Doping-Ermittlungen im Spitzensport. Ende Februar hatte das österreichische Bundeskriminalamt im Zuge der «Operation Aderlass» bei der nordischen Ski-WM in Seefeld mehrere Personen festgenommen. In Deutschland steht ein Erfurter Sportarzt als mutmasslicher Drahtzieher eines vermuteten Netzwerks im Mittelpunkt der Ermittlungen. Nach bisherigen Erkenntnissen sollen mindestens 21 Sportler aus acht Ländern und fünf Winter- und Sommersportarten verbotenes Eigenblut-Doping betrieben haben.