Sinnfrage bei Geisterspielen: DFL gerät unter Druck
So soll es wochenlang weitergehen? Das erste Geisterspiel der Bundesliga-Geschichte hat schon die Sinnfrage aufgeworfen. Während andere Ligen stoppen oder ganz abbrechen, freut sich DFL-Boss Seifert auf mehr Live-Fussball im Free-TV. Der Druck dürfte weiter wachsen.
Das Wichtigste in Kürze
- Die ersten grossen Geisterspiele mit deutscher Beteiligung sind kaum vorbei, da sind die neuen Massnahmen im Kampf gegen die Coronavirus-Pandemie eigentlich schon ad absurdum geführt.
Fürchterliche Tristesse auf dem Rasen, unglückliche Protagonisten und Menschenansammlungen vor dem statt wie bisher im Stadion: Auch mit leeren Rängen dürfte die Bundesliga ihre Saison angesichts der täglich ernsteren Lage mit der weltweiten Ausbreitung des Covid-19-Virus nur schwerlich beenden dürfen. «Eine Erkenntnis ist, dass die Fussball-Bundesliga ohne Fans keinen Spass macht», sagte Sportdirektor Horst Heldt vom 1. FC Köln.
Beim Champions-League-Spiel Paris gegen Dortmund (2:0) und bei der Bundesliga-Partie Gladbach gegen Köln (2:1) kam es ausserhalb des Stadions zu Menschenaufläufen, die die Politik für die nächste Zeit eigentlich untersagt hatte. Selbst der durch die Pariser Polizeipräfektur angeordnete Ausschluss von Zuschauern hielt gut 1000 PSG-Fans nicht davon ab, den Sieg der eigenen Mannschaft mit lautem Jubel und einem Feuerwerk vor den Stadiontoren ausgelassen zu feiern. So dürfte es am Wochenende in der Bundesliga weitergehen, auch wenn die Vereine jetzt massiv an ihre Anhänger appellieren.
Vor allem der BVB, der in Frankreichs Hauptstadt ein Spektakel der gegnerischen Fans erlebte, ruft seine Fans nun vor dem bedeutenden Revierderby gegen Schalke zur Vernunft. «So sehr wir es bedauern, dass wir im Stadion auf Euren schwarzgelben Support verzichten müssen, steht die Gesundheit klar im Vordergrund. Jeder Einzelne ist aufgefordert, Verantwortung zu zeigen und damit sich und andere Menschen vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus zu schützen», teilte der BVB mit. Im Klartext: Bitte keine Menschenmassen vor dem und rund um das Stadion, bitte keine Public-Viewing-Veranstaltungen.
Beobachtet man die Rasanz, mit der das Coronavirus derzeit den weltweiten Sport durcheinanderwirbelt, dürfte es aber nur eine Frage der Zeit sein, bis auch die Bundesliga einheitlich handeln muss. Die Basketball-Liga NBA hat den Spielbetrieb nach einem positiven Test eines Spielers bis auf weiteres ausgesetzt, die Deutsche Eishockey-Liga (DEL) hat die Saison gar abgebrochen und auch im spanischen Fussball geht zunächst nichts mehr.
Offen scheint derzeit nur die Frage, ob sich Vereine und DFL bis zur Mitgliederversammlung am Montag bedeckt halten können - oder ob schneller reagiert werden muss.
DFL-Geschäftsführer Christian Seifert klang allerdings noch nicht so, als ob eine baldige Aussetzung oder gar der Abbruch der Saison bevorstünde. Die Massnahme des Pay-TV-Senders Sky, am Wochenende Konferenzen im Free-TV zu zeigen, lobte der Funktionär ausdrücklich als «aussergewöhnliche Initiative» und fügte an: «Auch wenn der Stadionbesuch nicht möglich ist, muss an den kommenden Spieltagen niemand auf Bundesliga und 2. Bundesliga als Live-Erlebnis verzichten.» In vielen anderen Sport-Ligen muss der Fan dies bereits - und zwar nicht nur als Live-Erlebnis, sondern komplett.
Ob die Fortsetzung der Saison mit Geisterspielen Sinn ergibt, bezweifelten in Gladbach selbst die Beteiligten. Referee Deniz Aytekin war von der Atmosphäre geschockt. «Es ist wirklich etwas ganz anderes. Das hat nichts mit Fussball zu tun», sagte der Unparteiische bei Sky - die üblichen Gespräche mit den übrigen Journalisten im Stadion fielen diesmal aus.
Die Bundesliga will sich nach dem kommenden 26. Spieltag, der auf jeden Fall komplett ohne Zuschauer ausgetragen wird, überlegen, wie es weiter geht. Dies soll am Montag gemeinsam in Frankfurt geschehen. «Wir werden dann alle eine Lösung finden», kündigte Heldt an. Diskutiert wird bereits vieles - von einer vorübergehenden Absage des danach folgenden 27. Spieltags bis zum vorzeitigen Saisonende.
Dies war für DFL-Boss Seifert vor ein paar Tagen noch überhaupt kein Thema. Noch am Sonntag hatte er betont, die Liga werde trotz des Virus ordnungsgemäss beendet. «Nur so erhalten Clubs und DFL trotz schwieriger Umstände für die kommende Spielzeit Planungssicherheit», wurde Seifert zitiert. Seitdem hat sich die Lage von Tag zu Tag stetig weiter verschärft.