Tennis-Giganten: Nadal entzaubert Federer auf Pariser Sand
Zum ersten Mal seit zwei Jahren und zum insgesamt 39. Mal standen sich Rafael Nadal und Roger Federer gegenüber. Die Zuschauer sehen bei heftigem Wind ein teilweise hochklassiges Tennis-Spektakel - und am Ende geht es so aus wie bei den French Open bislang immer.
Das Wichtigste in Kürze
- Als French-Open-Dominator Rafael Nadal mit einem Netzroller Roger Federer übertölpelte, drosch der sonst so besonnene Schweizer den Ball aus dem Stadion und kassierte eine Verwarnung.
Mit einem seiner raren Wutausbrüche quittierte Federer im Halbfinale von Roland Garros den 1:2-Rückstand im dritten Satz. Die klitzekleine Hoffnung auf die Wende war dahin, der 37-Jährige gewann nur noch ein Spiel und musste sich am Ende dem furchteinflössend souverän aufspielenden Nadal mit 3:6, 4:6, 2:6 geschlagen geben.
In Gänsehaut-Atmosphäre und nach «Roger, Roger»-Rufen beim zweiten Matchball zog der elfmalige Rekord-Champion nach 2:25 Stunden zum zwölften Mal in das Roland-Garros-Finale ein. Im 39. Vergleich mit Federer feierte Nadal den 24. Sieg. Im Kampf um den Titel trifft er am Sonntag auf den Weltranglisten-Ersten Novak Djokovic aus Serbien oder in einer Neuauflage des Vorjahres-Endspiels auf den Österreicher Dominic Thiem. Das zweite Halbfinale wurde am frühen Freitagabend wegen Dauerregens und schlechter Wetteraussichten auf Samstag vertagt. Aus Sicht Djokovics stand es 2:6, 6:3, 1:3.
Mit einem weiteren Titel in Paris wäre Nadal der erste Profi der Tennisgeschichte, der zwölf Mal bei ein und demselben Grand-Slam-Turnier gewinnt. Seine Bilanz bei den French Open baute der 33 Jahre alte Spanier auf sagenhafte 92:2 Siege aus.
Schon am Samstag bestreiten die Australierin Ashleigh Barty und Marketa Vondrousova aus Tschechien das Überraschungs-Finale bei den Damen (15.00 Uhr/Eurosport). Anschliessend bietet sich dem deutschen Doppel Kevin Krawietz/Andreas Mies die Chance auf deutsche Tennis-Geschichte. Der Coburger Krawietz und der Kölner Mies treffen im Doppel-Finale auf die Franzosen Jeremy Chardy und Fabrice Martin. Mit einem Sieg wären sie die ersten deutschen Doppel-Sieger bei einem Grand Slam seit Gottfried von Cramm und Henner Henkel im Jahr 1937.
«Für mich ist es ein grosses Vergnügen, gegen den grössten Spieler der Geschichte zu spielen. Es ist unglaublich, auf welchem Niveau er mit 37 spielt», sagte Nadal im Siegerinterview auf dem Platz. «Gegen Roger ist es immer schwierig, mit dem Wind heute war es noch schwieriger. Ich bin sehr glücklich, ins Finale zurückzukehren.»
Federer war da bereits in den Katakomben verschwunden. Die rote Tasche auf der linken Schulter, die weisse auf der rechten winkte er noch einmal ins Publikum und verabschiedete sich aus Paris. Ob nur für dieses Jahr oder für immer, liess der 20-malige Grand-Slam-Champion offen. «Ich weiss es noch nicht. Mal sehen», sagte Federer und zeigte sich insgesamt zufrieden mit seiner Sandplatz-Saison und dem ersten Paris-Start seit vier Jahren.
Als er vor die Presse trat, schien er das Ausscheiden gelassen zu nehmen. «Er ist der beste Spieler auf Sand, ich kann das akzeptieren, kein Problem», sagte Federer. «Er war ohne Zweifel besser. Ich hatte heute Mini-Chancen, aber sie waren nicht gross genug, um zu gewinnen.»
Der befürchtete Regen war ausgeblieben, dafür war es extrem windig auf dem Court Philippe Chatrier. Mal flog der Hut eines Zuschauers auf den Platz, mal fegte die rote Asche sandsturmartig durch das nicht ganz gefüllte 15.000-Zuschauer-Stadion. Bei den immer wiederkehrenden «Roger, Roger»-Rufen herrschte anfangs Fussballstadion-Atmosphäre. Gleich im ersten Spiel hatte Federer eine Breakchance, vergab diese aber. Dafür nahm ihm Nadal das Aufschlagspiel zum 2:0 ab. Es folgten Break Federer zum 2:3, Re-Break Nadal zum 2:4 und nach 55 Minuten der Satzgewinn für den Spanier.
Als Federer mit einem seiner einhändigen Rückhandschläge den aufgerückten Nadal passierte, sprangen mehrere Zuschauer begeistert auf. Als er wenig später einen Ball mit dem Rahmen traf, waren auf der Tribüne französische Flüche zu hören. Am Ende war es wie bei der Sage vom Hasen und vom Igel: Nadal war immer schon da, wo Federer mit seinen Schlägen hinwollte. Zum sechsten Mal standen sich die zwei Ausnahmekönner in Paris gegenüber, zum sechsten Mal siegte Nadal.