Zukunft nach Beschwerdeentscheid weiter in der Schwebe
Das heute zum Kanton Bern gehörende Städtchen Moutier kann nicht zum Kanton Jura wechseln.
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Statthalterin Stéphanie Niederhauser teilte am Montag mit, sie habe sechs von sieben Beschwerden gegen die Abstimmung vom Juni 2017 gutgeheissen. Zur Begründung sagte sie, die Verlautbarungen der Gemeinde und des Stadtpräsidenten von Moutier vor der Abstimmung seien als unzulässige, irreführende Propaganda zu werten.
Politische Behörden hätten das Recht, sich vor Abstimmungen zu äussern. Diese Kommunikation müsse aber verhältnismässig, objektiv und transparent sein.
Zur unzulässigen Kommunikation komme eine mangelhafte Abstimmungsorganisation hinzu. Beispielsweise hätten Mitglieder des Stimmbüros die Identität der Abstimmenden nicht kontrolliert und damit eine Anweisung der Gemeinde missachtet.
Niederhauser spricht auch von Abstimmungstourismus und schreibt, die Gemeinde Moutier habe eine Klausel der Vereinbarung mit dem Kanton Bern über die Durchführung der kommunalen Abstimmung missachtet. Dies, indem die Gemeinde den Wahlbeobachtern des Bundes erst am Abstimmungswochenende selbst die Liste aller Wählenden übermittelte.
Letztlich könne sie nicht ausschliessen, dass das Resultat der Abstimmung von Juni 2017 ohne diese «gewichtigen Mängel» anders ausgefallen wäre. Im Sommer 2017 sagte Moutiers Stimmvolk mit einem Ja-Stimmenanteil von 51,7 Prozent Ja zum Kantonswechsel. 137 Stimmen gaben den Ausschlag.
Vehemente Reaktionen
In der Region führte der Entscheid der Statthalterin zu vehementen Reaktionen. Projurassier und die jurassische Kantonsregierung warfen der Statthalterin vor, auf Anweisung der Berner Regierung einen politischen Entscheid getroffen zu haben. Projurassier sagten, ihnen sei der Sieg gestohlen worden. In den nächsten Tagen werde eine Kundgebung organisiert.
Berntreue hingegen sagten, sie hätten den Entscheid kommen sehen. Schon lange sei klar, dass die kommunale Abstimmung irregulär über die Bühne gegangen sei. Eine Wiederholung der Abstimmung dürfe es nicht geben und Moutiers Behörden sollten zurücktreten. Beide Seiten riefen allerdings zur Ruhe auf. Das tat auch Bundesrätin Simonetta Sommaruga, die für den Bund das Jura-Dossier in den Händen hält.
Die Berner Kantonsregierung teilte mit, bei Entscheiden über Abstimmungsbeschwerden entschieden die Statthalterinnen und Statthalter völlig autonom. Einstweilen sei aus ihrer Sicht nicht über einen Wechsel von Moutier zum Kanton Jura zu verhandeln. Zunächst sei die Justiz am Zug.
Weiterzug so gut wie sicher
30 Tage Zeit hat nun die Gemeinde Moutier, um zu entscheiden, ob sie vor die zweite Instanz, das bernische Verwaltungsgericht, zieht. Dessen Urteil kann ans Bundesgericht weitergezogen werden. Das projurassische Lager kündigte am Montag entsprechende Schritte an.
Wenn die zweite und dritte Instanz den Entscheid der Statthalterin bestätigen sollte, läge es laut dem Berner Regierungsrat Pierre Alain Schnegg an der Stadt Moutier, allenfalls eine neue Abstimmung zu verlangen. In der Folge «müsste man schauen, was die genauen Bedingungen wären», so der Präsident der Jura-Delegation der bernischen Kantonsregierung.
Folge einer Abmachung von 2012
Dass es im Juni 2017 zur kommunalen Abstimmung von Moutier kam, geht auf eine Vereinbarung der jurassischen und bernischen Kantonsregierung von 2012 zurück. Damals konnte die Bevölkerung im Kanton Jura und im Berner Jura darüber abstimmen, ob sie gemeinsam einen neuen Kanton gründen wollten.
Sollte der Berner Jura das Ganzes diese Idee ablehnen, könnten in einem nächsten Schritt einzelne Gemeinden über einen allfälligen Kantonswechsel befinden, so die Abmachung.
Der Berner Jura lehnte 2013 die Bildung eines neuen Kantons ab, worauf die seit Jahren mehrheitlich projurassisch eingestellten Behörden von Moutier eine kommunale Abstimmung verlangten.