Für das Zürcher Bezirksgericht gibt es keine Zweifel: Es war der Ehemann, der im Oktober 2009 in Zürich-Oerlikon auf offener Strasse seine Ehefrau erschoss.
Zürcher Obergericht im November 2017 - Keystone
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Es war ein Indizienprozess - einen eindeutigen Beweis für die Schuld des heute 62-Jährigen gab es nicht. Dennoch: «Insgesamt ist das Gericht der Ansicht, dass er der Täter ist», sagte der vorsitzende Richter in der Urteilsbegründung am späten Donnerstagnachmittag.

Ein paar der vorliegenden Indizien stufte das Gericht als neutral ein. Etwa den Umstand, dass nur ganz wenige Schmauchspuren an den Händen des Beschuldigten gefunden worden waren, sprechen gemäss Gericht weder für noch gegen den Beschuldigten. Dieser hätte zwei Stunden Zeit gehabt, sich die Hände zu waschen, sagte der Richter.

Verschiedene Hinweise deuteten hingegen auf eine Täterschaft des Ehemannes der Getöteten hin. Als starkes Indiz wertete das Gericht ein Notizbüchlein des Mannes. Bemerkungen darin würden aufzeigen, dass «er grundsätzlich die Bereitschaft hatte, jemanden zu töten - und zwar mit einer Pistole».

Zudem habe das Opfer unregelmässige Arbeitszeiten gehabt, von denen der Ehemann wusste. Und das Schussbild - Schüsse aus kurzer Distanz in den Kopf - würden auf ein Beziehungsdelikt hindeuten. Entlastendes, das gegen eine Täterschaft spricht, sah das Gericht hingegen nicht.

Umstrittenes Geständnis

Umstritten war unter anderem die lange Verfahrens- und Untersuchungsdauer. In deren Rahmen waren auch über eineinhalb Jahre hinweg verdeckte Ermittler eingesetzt worden - einer gab sich als weltgewandter Diamantenhändler aus, eine trat, da der Verdächtigte an Geister glaubte, als Wahrsagerin auf.

Für den Verteidiger sprengte dies den Rahmen: Die verdeckten Ermittler hätten in zahlreichen Treffen ein Vertrauensverhältnis aufgebaut und den Überwachten so mit der Zeit illegal unter Druck gesetzt, um ein Geständnis herauszupressen. Der 62-Jährige hatte gegenüber den Ermittlern denn auch eingeräumt, dass er es gewesen sei, dass er es allein gemacht habe. Diese Aussagen zog er später aber zurück.

Das Gericht folgte den Einwänden der Verteidigung. Es stufte das Geständnis als nicht verwertbar ein. Indem unzulässiger Druck auf den Mann ausgeübt worden sei, sei das Gebot des fairen Verfahrens verletzt worden. Angesichts der Indizien reichte es für das Gericht aber auch ohne Geständnis für einen Schuldspruch.

Eifersucht als Motiv

Als Motiv für die Tat steht Eifersucht im Vordergrund: Der heute 62-Jährige sei davon geradezu «zerfressen» gewesen, hatte die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer festgehalten. Er habe es nicht ausgehalten, dass seine Frau, die wie er aus Bangladesch stammte, ein Verhältnis mit einem Schweizer gehabt habe.

Deshalb hat der Beschuldigte gemäss Anklageschrift seine 41-jährige Ehefrau am Morgen des 19. Oktobers 2009 vor dem Wohnhaus in Zürich-Oerlikon abgepasst, als sich diese auf den Weg zur Arbeit in einem Schuhgeschäft machte. Er schoss fünfmal mit einer Pistole.

Die Beziehung zwischen Opfer und Beschuldigtem sei schlecht gewesen, hielt auch der Richter fest. So habe die Frau ihren Mann etwa vor Dritten heruntergemacht. Die beiden seien sich uneins über finanzielle Probleme gewesen. Der Richter sprach von einem «starken Motiv».

Das Motiv und die Tatausführung bezeichnete er als skrupellos, das Verschulden als schwer. Zwar habe das Opfer nicht gelitten, doch habe es auch «null Chancen» gehabt, sich zu wehren. Zudem habe der Mann die Mutter seiner damals minderjährigen Kinder umgebracht.

Weiterzug ans Obergericht

Das Zürcher Bezirksgericht ist am Donnerstag mit seinem Urteil weitgehend den Anträgen der Staatsanwältin gefolgt. Sie hatte wegen Mordes eine Freiheitsstrafe von 16 Jahren gefordert.

Mit 14 Jahren blieb das Gericht letztlich zwar etwas darunter - dies allerdings wegen der langen Verfahrensdauer von neun Jahren. Für die Tat an sich hätte das Gericht ein Freiheitsstrafe von 20 Jahren verhängt. Insbesondere wegen «der doch erheblichen Verletzung des Beschleunigungsgebotes» reduzierte es die Strafe.

Einen Antrag, den Mann sogleich zu verhaften, lehnte das Gericht jedoch ab. Es bestehe keine erhöhte Fluchtgefahr, hielt der Richter fest. So lebten vier Kinder des Mannes in der Schweiz. Hier werde er auch finanziell unterstützt, was in seiner Heimat Bangladesch fraglich wäre.

Der Verteidiger des Beschuldigten hatte vor Bezirksgericht vergeblich auf Freispruch plädiert sowie eine Entschädigung und Genugtuung in Höhe von über 800'000 Franken gefordert. Der Mann hatte je zweimal mehr als sieben Monate in Untersuchungshaft gesessen.

Mit dem Fall wird sich nun auch das Zürcher Obergericht befassen. Der Verteidiger kündigte noch im Gerichtsaal an, dass er gegen das erstinstanzliche Urteil Berufung einlegt.

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