Herdenimmunität: Können Geimpfte das Coronavirus noch weitergeben?
Die Impfung schützt die Geimpften, doch schützt sie auch vor der Weitergabe des Coronavirus? Impf-Experte Herwig Kollaritsch erklärt den aktuellen Wissensstand.
Das Wichtigste in Kürze
- Noch immer ist unklar, ob die Impfung auch die Weitergabe des Virus unterbindet.
- Wäre dies so, würde die Impfung deutlich stärker zur Senkung der Corona-Fälle beitragen.
- Mit einer wachsenden Zahl an Geimpften dürfte bald eine Datengrundlage vorhanden sein.
Immer mehr Menschen können gegen das Coronavirus geimpft werden. Für die Geimpften ist das ein grosser Gewinn: Das Risiko einer Erkrankung sinkt drastisch.
Während der direkte Schutz nachgewiesen wurde, fehlen noch verlässliche Daten zur Weitergabe des Virus durch Erkrankte. Welche Erfahrungswerte haben wir? Herwig Kollaritsch, Experte für Reisemedizin und Mitglied der österreichischen Corona-Taskforce, erklärt die Situation.
Manche Impfungen schützen mehr als das Individuum
Einige Impfungen haben neben dem direkten Schutz noch einen weiteren Schutzmechanismus: «Es gibt eine ganze Reihe von Impfungen, die transmissionsblockierend sind, das bekannteste Beispiel ist die Masernimpfung», erklärt Kollaritsch. Diese Impfungen verhindern also nicht nur die Infektion, sondern auch die Weitergabe der Krankheit.
Das bedeutet, dass jeder Geimpfte in diesem Fall zur sogenannten Herdenimmunität beiträgt: Je mehr Menschen das Virus nicht weitergeben können, desto weniger schnell kann sich das Virus verbreiten. Geimpfte verringern in diesem Fall die Ausbreitungsmöglichkeiten des Virus. Können mehr Menschen geimpft werden, verringert sich in diesem Fall auch die Reproduktionszahl.
Grosse Ungewissheit beim Coronavirus
Der direkte Impfschutz der Impfung gegen das Coronavirus ist nachgewiesen. Das bedeutet, dass die Impfung eine Vermehrung des Virus im Körper so weit hemmt, dass keine Krankheit ausbricht. Aber ob die Impfung auch die Übertragung des Coronavirus verhindert, ist damit noch nicht bewiesen.
Dort, wo das Virus eine Krankheit auslöst, verhindert die Impfung eine Vermehrung. Doch das bedeutet nicht zwangsläufig, dass die Vermehrung des Virus komplett unterbunden ist, warnt Kollaritsch: «Die Frage ist, ob es das an der Schleimhaut tun kann, ohne dass wir etwas davon bemerken sprich nicht erkranken. Und das wissen wir eben noch nicht genau.»
Dieser Effekt lässt sich bisher noch nicht quantifizieren. Nachgewiesen ist, dass auch Menschen, welche eine symptomfreie Corona-Infektion erfahren, das Virus ebenfalls weitergeben können. Theoretisch wäre es möglich, dass es sich mit Geimpften ähnlich verhält: Das Virus breitet sich zwar nicht im Körper aus, aber vermehrt sich lokal.
«Es ist stark anzunehmen, dass sich die Infektiosität reduziert», zeigt sich Kollaritsch optimistisch und warnt gleich darauf: «Annahmen nützen uns wenig.»
Kein Gegenargument gegen die Impfung
Sollte die Impfung eine Weitergabe des Virus nicht verhindern, würde dies dennoch nicht einer Impfung widersprechen: Das Verhindern von schweren Krankheitsverläufen – und damit die Entlastung der Spitäler – ist das oberste Ziel. «Das Erreichen einer Herdenimmunität durch den Impfstoff wäre sozusagen das Sahnehäubchen», erklärte Kollaritsch im Dezember.
Hierzu dürften schon bald weitere Daten zur Verfügung stehen: Israel hat allen anderen Ländern voran bereits einen signifikanten Teil der Bevölkerung geimpft. Sollte die Impfung tatsächlich die Weitergabe des Coronavirus verhindern, müsste die Reproduktionszahl dort bald sinken.