Coronavirus: Ist die Schweiz tatsächlich auf Erholungskurs?
Die jüngsten Zahlen zum Coronavirus bleiben auch bei genauerer Betrachtung äusserst positiv. Doch es braucht nur wenig, und der Trend kippt wieder.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Neuinfektionen haben in der Schweiz abgenommen – Waadt hat daran einen grossen Anteil.
- Viele Kantone können bei der Bekämpfung lokaler Ausbrüche Erfolge vorweisen.
- Die Entwicklung bedeutet jedoch nicht, dass deswegen bedenkenlos gelockert werden kann.
Seit kurzem die Tendenz der Neuinfektionen mit dem Coronavirus in der Schweiz wieder leicht nach unten. Der Abwärtstrend begann vor rund zwei Wochen. Mittlerweile ist der Trend statistisch signifikant. Damit ist es die erste erfreuliche Nachricht zu den schweizweiten Infektionszahlen, seit der Anstieg im Juni begonnen hat.
Doch wie sehen die Zahlen wirklich aus? Und was bedeutet die Entspannung für die Schweiz? Nau.ch hat die BAG-Zahlen unter die Lupe genommen.
So sieht die Trendwende in Zahlen aus
Mittlerweile genügt ein Blick auf die Statistik: Der Trend ist deutlich erkennbar. Am 17. September hatte die 7-Tage-Inzidenz in der Schweiz ihren Höchststand. In der Vorwoche infizierten sich damals 35,2 Personen pro 100'000 Einwohner.
Seitdem ist die 7-Tage-Inzidenz auf 26,8 gesunken (Stand 26. September). In den einzelnen Kantonen sieht die Lage jedoch sehr unterschiedlich aus: Sorge bereiteten vor allem die Hotspots Genf, Waadt und Zürich.
Kantone bekämpfen Hotspots des Coronavirus erfolgreich
Dass die Zahlen sinken, hängt besonders mit dem Rückgang im Kanton Waadt zusammen: Zuletzt war der Romandie-Kanton mit rund 800'000 Einwohnern regelmässig für rund ein Drittel der schweizweiten Infektionen mit dem Coronavirus verantwortlich. Die deutliche Abnahme der Fälle des Coronavirus im Waadtland hat damit auch grosse Auswirkungen auf die nationalen Zahlen.
Immer wieder kam es in einzelnen Kantonen zu lokalen Ausbrüchen: Im Jura schnellten die Zahlen Anfang Juli in die Höhe, in Basel stiegen die Fallzahlen Mitte August exponentiell.
Doch die Kantone haben bewiesen, dass sich die Trends wieder umkehren lassen: In den meisten Fällen nahmen die Fallzahlen bald wieder deutlich ab. Ähnlich verhielt es sich zuletzt auch mit den Ausbrüchen in Freiburg oder Bern.
Hat die Trendwende schon früher eingesetzt als erwartet?
Während sich viele um die steigenden Zahlen sorgten, beobachteten Bund und BAG die Zahlen ohne zu intervenieren. Entscheidend hierfür dürfte die Form der Kurve gewesen sein: Über weite Zeiten blieb der Anstieg weitgehend konstant – die Kurve verlief geradlinig.
Das ist entgegen der ersten Intention ein gutes Zeichen.
Für die Beschreibung der Ausbreitung einer Epidemie verwenden Infektiologen die effektive Reproduktionszahl R. Sie gibt an, wie viele Menschen von einer infizierten Person angesteckt werden. Ist R grösser als 1, nehmen die Fallzahlen zu. Doch bleibt R konstant, nehmen die Fälle exponentiell zu – die Kurve der Neuinfektionen wird immer steiler.
Dass die Zunahme der Fälle des Coronavirus geradlinig war, heisst also, dass R konstant kleiner geworden ist: Eine Person hat im Schnitt immer weniger weitere Personen angesteckt. Dass die Fälle nun abnehmen, heisst, dass R seit kurzem unter den Schwellenwert von 1 gesunken ist.
Was kann den Abwärtstrend noch stoppen?
Wir können Aufatmen – die Zahlen zeichnen durchs Band ein erfreuliches Bild. Doch wie wenig es braucht, damit der Trend wieder kippt, zeigt sich in Frankreich. Die dortigen Massnahmen unterscheiden sich nur minimal von den hiesigen, und im Nachbarland wachsen die Fallzahlen wieder exponentiell.
Gerade angesichts des heranrollenden Winters bleibt die Lage angespannt: Der Tessiner Epidemiologe Andreas Cerny warnt: «In der kalten Jahreszeit sind wir näher zusammen und öfter in geschlossenen, geheizten und damit wenig belüfteten Räumen. Dies sind Bedingungen, welche die Verbreitung von respiratorischen Viren generell fördern.»
Die Lage zum Coronavirus muss weiterhin genau beobachtet werden. Sollte R wieder steigen, müssten die Massnahmen sonst möglicherweise wieder verschärft werden.