Holocaust-Überlebender: «Aus der Geschichte wurde nichts gelernt!»
Ein Holocaust-Überlebender, welcher heute in der Schweiz wohnt, ist entsetzt über die Versteigerung von Nazi-Funden in einem Münchner Auktionshaus.
Das Wichtigste in Kürze
- In München wurden Nazi-Stücke wie Hitlers Zylinder versteigert.
- Das Interesse an den Zweit-Weltkrieg-Gegenständen war enorm.
- Ein Schweizer Holocaust-Überlebender ist bestürzt über die Faszination.
Für viel Gesprächsstoff sorge die Auktion der vergangenen Woche, bei welcher über 800 Nazi-Fundstücke unter dem Hammer versteigert wurden.
Der Erwerb von Unikaten wie Hitlers Zylinder konnten viele nicht begreifen. Gerade weil auch Privatpersonen und Sammler an der Versteigerung teilnehmen konnten.
Bei Nau äussert sich ein jüdischer Holocaust-Überlebender zur Auktion. Dieser hatte in der Vergangenheit schon öfters offen über seine Lebensgeschichte gesprochen. Seit dem Attentat in Halle getraut er sich jedoch nicht mehr mit seinem richtigen Namen an die Öffentlichkeit. Wie ihm geht es zahlreichen andere Holocaust-Opfern.
Vorfälle wie jener in Halle zeigen, wie aktuell das Thema Antisemitismus noch immer sind. Aus diesem Grund ist die Versteigerung für B.G.* ein Schlag ins Gesicht: «Dass das Interesse an diesen Gegenständen so gross ist, löst bei mir Ekel und Bestürzung aus.»
Für gewisse Kreise seien solche Objekte von Faszination, es sei schon fast Kult geworden. «Aus der Geschichte wurde wenig oder nichts gelernt», ergänzt der 95-Jährige.
Auf die Frage, was mit den Gegenständen aus der Zeit des Holocausts geschehen sollten, meint B.G.: «Ein Teil sollte in Museen bleiben, und den Rest, vernichten!»
«Der Holocaust ist kein Faszinosum, sondern Völkermord»
Auch das jüdische Museum Schweiz kann die Versteigerung in keinster Art nachvollziehen. «Der Nationalsozialismus ist in unserer Populärkultur stark vertreten, in der Literatur, im Film und Fotografien. Wer sich jedoch mehr mit den Tätern befasst und sogar ihre Kleidung erwirbt, hat eine perverse Faszination.»
«Diese Faszination unterscheidet sich nicht wesentlich von der Verehrung von anderen Mördern wie beispielsweise Jack the Ripper», so das Museums-Team.
Auch wüssten sie gerne, ob der Verfassungsschutz den Markt für antisemitische Objekte und Bieter beobachtet. Die Versteigerung sei problematisch: «Seriöse Museen machen sich die Mühe, nationalsozialistische Erzeugnisse nicht als Kulturgut ehrwürdig zu inszenieren. Ohne Scheinwerferlicht, Podeste oder Vitrinen beispielsweise.»
Das Jüdische Museum Schweiz kann sich dementsprechend auch nicht vorstellen, selbst von solchen Auktionen Gebrauch zu machen: «Wir zeigen das Schicksal der Verfolgten. Unser Thema ist das Judentum, nicht die Judenfeindschaft.»