Myasthenie: Schwerwiegende Muskelschwäche mit Folgen
Muskelschwäche, in der Fachsprache Myasthenia gravis genannt, gehört zu den Autoimmunerkrankungen und kann den Alltag erheblich beeinträchtigen.
Das Wichtigste in Kürze
- Bei Myasthenie ist die Verbindung zwischen Muskeln und Nerven gestört.
- Es handelt es sich um eine Erkrankung des Immunsystems.
- Bei rechtzeitiger Entdeckung lässt sie sich gut behandeln.
Wenn das Heben eines Arms über den Kopf hinweg schwer fällt oder die Treppe zum unüberwindlichen Hindernis wird, könnte Myasthenie vorliegen.
Besonders problematisch ist diese Muskelschwäche, wenn beispielsweise die Kau- oder Atemmuskulatur beeinträchtigt ist.
Eine echte Heilung der chronischen Erkrankung ist nicht möglich, doch sie lässt sich heute gut therapieren.
Gestörte Signalübertragung
Ein kennzeichnendes Merkmal der Myasthenia gravis ist das Auftreten der Schwäche bei Belastung. Im Ruhezustand bessern sich die Beschwerden schnell wieder. Sie befällt dabei nicht ausschliesslich bestimmte Muskeln, sondern kann wechseln.
Zwei Bevölkerungsgruppen sind überdurchschnittlich häufig von ihr betroffen: Junge Frauen zwischen 20 und 30 Jahren und ältere Männer zwischen 60 und 80 Jahren. Eine eindeutige Ursache für die Krankheit konnte noch nicht festgestellt werden.
Bekannt ist lediglich, dass es sich um eine Autoimmunkrankheit handelt. Aus unbekannten Gründen bildet der Körper Antikörper, die an die ACh-Rezeptoren der Muskeln andocken. Damit blockieren sie den Platz für den Signalstoff Acetylcholin (ACh), der Nervensignale transportiert.
Gibt das Gehirn beispielsweise den Befehl, das Bein anzuheben, um die nächste Treppenstufe zu meistern, kommt das Signal nicht oder nur teilweise in den Beinmuskeln an.
Veränderung des Thymus als Auslöser
Der Thymus ist eine Drüse hinter dem Brustbein, die bis zur Pubertät wächst und in dieser Zeit T-Lymphozyten bildet. Diese T-Zellen bilden gemeinsam mit den B-Lymphozyten die Grundlage des Immunsystems.
Nach der Pubertät hat der Körper ein umfangreiches Reservoir gebildet und der Thymus wird nicht mehr benötigt. Er bildet sich zurück und wird durch Fettgewebe ersetzt. Die Medizin spricht von Involution.
Allerdings kann es zu krankhaften Veränderungen des Thymus kommen, die wiederum Myasthenie auslösen.
Diagnosestellung und Therapie
Meist machen sich die ersten Anzeichen in den Armen und Beinen bemerkbar und geben so einen Hinweis auf Myasthenie.
Auch die Gesichtsmuskulatur kann betroffen sein. In diesen Fällen kommt es zum sogenannten Schlafzimmerblick mit hängenden Augenlidern, die sich kaum noch heben lassen.
Daneben können Beschwerden beim Kauen und Schlucken auftreten, die die Nahrungsaufnahme erheblich erschweren, oder Atembeschwerden. Dabei kommt es unter anderem zu langen Pausen beim Sprechen und zu einer ausdruckslosen flachen Sprechweise.
Der Arzt hat verschiedene Möglichkeiten zur Diagnosestellung. So kann er eine Blutuntersuchung veranlassen, bei der auf Antikörper getestet wird. Dazu wird meist der Tensilon-Test durchgeführt.
Dabei wird das Mittel Tensilon (Edrophoniumchlorid) in den Arm gespritzt, um zu testen, ob es die Muskelkraft zeitweilig verbessert. Weitere Diagnoseoptionen sind die Stimulations-Elektromyografie und eine MRT- oder CT-Untersuchung des Thymus.
Das Leben mit Myasthenie
Wird eine krankhafte Veränderung des Thymus, ein sogenanntes Thymom, festgestellt, wird der Arzt in der Regel die operative Entfernung empfehlen. In anderen Fällen werden Medikamente verschrieben, die die Bildung der störenden Antikörper blockieren.
Dadurch können die Nervensignal wieder korrekt an die Rezeptoren andocken und die Muskeln aktivieren. Ein Nachteil dieser Behandlung ist jedoch die allgemeine Schwächung des Immunsystems.
Lediglich in einigen sehr schweren Fällen wird eine Blutwäsche (Plasmapherese) empfohlen, bei der das Blut des Patienten in Blutplasma und Blutzellen getrennt wird. Anschliessend werden die Antikörper aus dem Plasma gefiltert.
Diese Behandlung ist jedoch mit sehr hohem Aufwand verbunden und kommt fast nur bei einer schweren myasthenischen Krise mit Atem- und Schluckbeschwerden zum Einsatz.
Zur Unterstützung der Muskulatur ist Krankengymnastik eine sinnvolle therapeutische Ergänzung. Dies ist besonders wichtig, wenn sich Betroffene aus Angst vor Überlastung kaum noch bewegen und damit die noch vorhandene Muskelkraft weiter reduzieren.
Ein guter Physiotherapeut stellt ein individuelles Trainingsprogramm zusammen, das die Kapazitäten des Patienten angemessen berücksichtigt und ihn nicht überfordert.
Hilfsmittel wie Krücken oder Gehstöcke sind heute in der Regel nicht mehr notwendig. Selbst wenn die Krankheit nicht geheilt werden kann, ist die moderne Medizin in der Lage, sie mit Medikamenten unter Kontrolle zu halten.