Was steckt hinter den Aufmerksamkeitsstörungen ADHS und ADS?
Das Wichtigste in Kürze
- In der Schweiz erhalten rund 5 bis 6 Prozent der Kinder die Diagnose ADS oder ADHS.
- Noch immer ist umstritten, ob es sich dabei um eine behandlungsbedürftige Störung handelt.
- Zwei Drittel der Betroffenen kämpfen noch im Erwachsenenalter damit.
Die Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung (ADHS) wurde bereits Mitte des 19. Jahrhunderts erstmals beschrieben. Damals war die Rede vom Zappelphilipp-Syndrom nach der gleichnamigen Figur aus dem 1845 erstmals veröffentlichten Struwwelpeter-Buch.
Der Frankfurt Arzt und Psychiater Heinrich Hoffmann hatte darin verschiedene kindliche Störungen (auf reichlich düstere Art) beschrieben.
Von Hoffmanns Ansicht, dass es sich vor allem um Erziehungsfehler handelte, ist die moderne Psychologie längst abgerückt. Dennoch lässt sich bis heute nur schwer eine Grenze zwischen ADHS und Unerzogenheit ziehen.
Kritiker werden nicht müde zu betonen, dass der starke Anstieg scheinbarer ADHS-Diagnosen zur gleichen Zeit erfolgte, als Eltern ihre Kinder immer weniger Grenzen aufzeigten.
Der Unterschied zwischen ADHS und ADS
Der Begriff Attention Deficit Disorder (Aufmerksamkeits-Defizit-Störung – ADS) wurde erstmals 1980 festgelegt. 1987 erfolgte die Trennung in ADS und ADHS, wobei ADHS weit bekannter wurde.
Dies liegt daran, dass die Hyperaktivität ein auffälliger Bestandteil dieser Störung ist. Sie macht sich durch fehlende Impulskontrolle bemerkbar.
Kinder sind scheinbar nicht zu bremsen, können nicht stillsitzen und sind leicht reizbar. Viele haben eine geringe Frustrationstoleranz. Sie geben beim Lernen schnell auf und werden wütend.
Bei ADS fehlen diese typischen Symptome. Kinder und Jugendliche mit ADS leiden vor allem unter fehlender Konzentrationsfähigkeit.
Sie schweifen gedanklich ab und neigen zu Verhaltensweisen, die auf andere Menschen seltsam wirken. Sie werden ihnen als Dummheit oder Faulheit ausgelegt.
Weil sie ihr eigenes Fehlverhalten nicht verstehen können, reagieren sie überempfindlich und ziehen sich weiter zurück. Allerdings gibt es keine klare Trennung zwischen ADHS und ADS.
Bei vielen Betroffenen liegt eine Mischform vor.
ADS/ADHS liegt in den Genen
Für viele Eltern und Kinder, die seit Jahren unter den mit ADS/ADHS verbundenen Problemen leiden, ist die Diagnose eine grosse Erleichterung. Sie verstehen endlich, woher das schwierige Verhalten rührt und wie sie es angehen können.
Vor allem werden sie von den ewigen Schuldgefühlen befreit, dass es an falscher oder fehlender Erziehung liegen könnte. Während die Ursachen noch nicht eindeutig geklärt sind, scheint die Entstehung von ADS/ADHS doch weitgehend genetisch bedingt zu sein.
Vorsicht bei der Behandlung
Nach wie vor umstritten ist jedoch die medikamentöse Behandlung mit Methylphenidaten wie Ritalin, die oft eine Ruhigstellung gleicht und die überschäumende Kreativität, die vielen ADHS-Betroffen eigen ist, völlig auslöscht. Viele Kinder (auch ohne ADS/ADHS) leiden unter einem Umfeld, das sie stark einschränkt.
Die einen haben in beengten Wohnungen kaum Platz zum Herumtoben und dürfen nicht laut sein. Die anderen werden von überängstlichen Eltern stark behütet und dürfen nicht im Freien toben und werden mit dem Auto bis an die Schule gefahren.
Vielfach ist Kindern schon damit geholfen, dass sie Platz zum Toben, Spielen und zur freien Entfaltung bekommen. Daneben gibt es Hinweise, dass eine Ernährungsumstellung bei der Linderung der Hyperaktivität helfen könnte.
So gab es diverse Studien, die auf einen Zusammenhang zwischen Nährstoffmangel und ADHS/ADS hinwiesen. Auch ein Vitamin-D-Mangel wurde bereits als Ursache vermutet.
Es lohnt sich für Eltern auf jeden Fall, zunächst einmal mit der Nahrung zu experimentieren, ehe als letztes Mittel Methylphenidate zum Einsatz kommen.
ADS/ADHS im Erwachsenenalter
Da ADS/ADHS erst in den letzten 10 bis 20 Jahren als ernstzunehmende Störung anerkannt wurde, erhielten viele Menschen ihre Diagnose erst im Erwachsenenalter. Auch für sie stellt die Diagnose oft eine erhebliche Erleichterung dar, da sie endlich eine Erklärung für Probleme wie Konzentrationsstörungen und einen Mangel an Selbstorganisation erhalten.
Viele Betroffene leiden unter Stress, Beziehungsproblemen und Geldsorgen. Dazu kommen Suchtprobleme, weil sie unbewusst zu Alkohol oder anderen Drogen zur Betäubung ihrer Hyperaktivität greifen.
Auch für Erwachsene gibt es verschiedene Behandlungsformen. Bevorzugt wie eine multimodale Behandlung mit dem Schwerpunkt Psychoedukation. Dabei lernen Betroffene (und oft der Partner) die Störung besser zu verstehen und damit umzugehen, zum Beispiel durch Stressmanagement.
Bei hohem Leidensdruck kommt eine Psychotherapie zur Verarbeitung der bisherigen Probleme in Frage. Dazu kann eine medikamentöse Therapie mit Methylphenidaten verordnet werden