Wenn die Blase schwächelt
Blasenschwäche ist in der Bevölkerung weit verbreitet, doch kaum jemand spricht darüber. Dabei gibt es medizinische Wege, das Leiden zu verringern.
Das Wichtigste in Kürze
- Etwa 400´000 Menschen sind in der Schweiz von Harninkontinenz betroffen.
- Frauen leiden häufiger darunter als Männer.
- Verschiedene Therapieformen schaffen Abhilfe.
Kurz mal geniest und schon ist die Unterhose unangenehm feucht: Belastungsinkontinenz nennt sich dieses Phänomen. Es ist die häufigste Form der Harninkontinenz und betrifft Menschen jeden Alters. Daneben gibt es noch andere Formen wie die Dranginkontinenz und die Überlaufinkontinenz. Kaum ein Thema ist jedoch so schambehaftet wie Probleme beim Wasserlassen und Stuhlgang. Überwinden sich die Menschen, ärztliche Hilfe zu suchen, kann meist Abhilfe geschaffen werden.
Schwacher Beckenboden führt zur Belastungsinkontinenz
Der vom Körper produzierte Urin wird in der Harnblase gesammelt und gespeichert. Der Schliessmuskel am unteren Ende der Blase dichtet diese ab. Ab und zu meldet sich die Blase, dass sie fast voll ist und entleert werden möchte. Wir spüren dann das Bedürfnis die Toilette aufzusuchen. Der Schliessmuskel entspannt sich, während sich der Blasenmuskel zusammenzieht. So wird der Urin in die Harnröhre nach aussen geleitet.
Beim gesunden Menschen kann der Schliessmuskel einiges aushalten. Jeder kennt das Problem, zu müssen, wenn es gerade nicht möglich ist, zum Beispiel im Kinosaal oder Theater. Ist der Schliessmuskel jedoch geschwächt, kann er seine Funktion nicht mehr ausführen. Meist ist die gesamte Beckenbodenmuskulatur davon betroffen. Diese umfasst neben dem Schliessmuskel weitere Muskeln und Bänder.
Frauen überdurchschnittlich häufig betroffen
Die weibliche Anatomie ist schuld daran, dass Frauen wesentlich häufiger unter Harninkontinenz leiden als Männer. Dazu wird das Bindegewebe mit jeder Schwangerschaft zusätzlich enorm strapaziert. Bei Männern sind hauptsächlich Prostatabeschwerden Auslöser für die Blasenschwäche. Meist handelt es sich um Überlauf- oder Dranginkontinenz, die durch eine vergrösserte Prostata verursacht wird.
Andere Ursachen betreffen beide Geschlechter in gleichem Mass. So führt schweres Übergewicht zu einem permanenten Druck auf den Beckenboden. Kann sich dieser nicht regelmässig entspannen, kommt es zur Überlastung. Die Muskulatur leiert gewissermassen aus. Das gleiche gilt für starke Raucher, die an COPD leiden. Bei jedem Husten wird die Beckenbodenmuskulatur strapaziert.
Gegensteuern mit Gymnastik
Je jünger die Betroffenen sind und je milder die Beschwerden, umso einfacher lässt sich gegensteuern. Die beste Hilfe ist gezieltes Beckenbodentraining zur Stärkung der Muskulatur. Entsprechende Kurse werden überall in der Schweiz angeboten. Der Arzt kann sie auch auf Rezept verordnen. Daneben wird der Beckenboden auch bei bestimmten Sportarten wie Pilates und Yoga gezielt trainiert. Wichtig dabei: Das Training sollte unter fachkundiger Anleitung erfolgen. Wer einfach Internetvideos kopiert, wird es möglicherweise falsch ausführen und der Effekt ist gleich Null.
Je nach Art und Schwere der Harninkontinenz kann der Arzt auch Medikamente verordnen. Dranginkontinenz zeichnet sich beispielsweise durch einen urplötzlichen schwallartigen Harndrang aus. Dieser wird von einer überaktiven Blasenmuskulatur gesteuert. Bestimmte Medikamente dämpfen die Aktivität. Bei Belastungsinkontinenz kann der Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SSNRI) Duloxetin verordnet werden. Allerdings dient er in erster Linie zur Behandlung von Depressionen und Angststörungen und kann schwere Nebenwirkungen auslösen.
Operationen nur in schweren Fällen
Chirurgische Eingriffe sind nur in einigen wenigen Fällen sinnvoll und wenn alle anderen Therapieformen erschöpft sind. Führt eine vergrösserte Prostata zu Drang- oder Überlaufinkontinenz, sollte sie chirurgisch verkleinert werden. Bei Männern kommt auch ein künstlicher Schliessmuskel in Frage.
Bei Frauen setzen Mediziner eher auf sogenannte Schlingen. Dabei handelt es sich um Kunststoffbänder, die unter der Harnröhre eingesetzt werden und diese leicht abheben. Durch die zusätzliche Unterstützung wird auch der Schliessmuskel entlastet.
Tipps für eine gesunde Blase
Jeder kann dazu beitragen, die eigene Blase gesund zu halten. Meist handelt sich um allgemeine Veränderungen des Lebensstils. Mehr Bewegung führt zum besseren Training der Muskulatur. Bei Übergewicht hilft eine Gewichtsreduzierung, die Belastung zu reduzieren. Dazu empfehlen Mediziner ein sogenanntes Blasentraining. Im ersten Schritt wird ein Tagebuch geführt. Darin halten Patienten fest, wann sie was und wie viel trinken und wie häufig sie zur Toilette gehen.
Sie sollen lernen, regelmässige Abstände einzuhalten und diese auszudehnen. Wer sofort zur Toilette geht, wenn die Blase das erste kleinste Signal zur Entleerung meldet, trainiert sich eine überaktive Blase selbst an. Durch entsprechendes Training kann dies wieder abgestellt werden. Dabei wird die Zeit vom ersten Signal bis zum tatsächlichen Toilettengang immer weiter ausgedehnt. Irgendwann sollte es dann soweit sein, mehrere Stunden ganz ohne Harndrang zu überstehen.