Durchgebrannt: Warum wir bei Hitze aggressiver werden
Der Kollege gereizt, der Verkehr ein Chaos und dem Partner fallen am Abend die Eiswürfel aus der Hand, nur nicht in den Cocktail? Die Hitze macht's. Was tun?
Das Wichtigste in Kürze
- Hitze ist für viele Menschen ein echter Stressfaktor.
- Studien zeigen, dass lang anhaltende Hitze und gesteigerte Aggressivität zusammenhängen.
- Praktische Massnahmen und «den kühlen Kopf bewahren» sind wirksame Mittel bei Hitzestress.
Endlich Sommer, Sonne, herrlich warme Temperaturen – die ideale Zeit, um es sich am Abend vor dem geöffneten Fenster oder auf der heimischen Terrasse mal so richtig gutgehen zu lassen. Eine Tropennacht zu Hause, was für ein Traum.
Aber warum muss der Hund ausgerechnet jetzt durchdrehen? Und warum kann man auf die zärtlichen Annäherungsversuche des Partners fast nur gereizt reagieren?
Hitze ist eine Herausforderung für Körper und Geist
Hitze betrifft uns Menschen als Ganze: mit Körper und Geist. Unser Körper reagiert clever mit dem Kühlsystem, das er während Jahrtausenden der Evolution perfektioniert hat: Schwitzen und Schweiss.
Läuft irgendwann auch dieser Kühlmechanismus heiss, «brennen» wir sprichwörtlich durch: Fast alle Körperfunktionen kann es treffen, das Herz-Kreislauf-System ist fast immer dabei.
Bei Hitzwellen mit Tropennächten kommt hinzu: In warmen Nächten schläft es sich schlecht, Körper und Geist fehlen die nötige Erholung. Ist eine noch Schaubühne für den trauten Abend mit dem Liebsten, mutieren mehrere hintereinander bald zum Stressfaktor.
Hitze als Trigger für Angst und Aggresivität
Für die Psyche kann Hitze zu einer besonderen Belastung werden, wenn man keine Möglichkeit sieht oder hat, dieser Hitze zu entfliehen. Wer die kuschelige Dachwohnung im Winter liebt, kann im Sommer buchstäblich an ihr erkranken: Panikattacken oder Depression können mentale Folgen übermässiger Hitze sein.
Auch existenzielle Ängste können durch extreme Hitze gefördert werden. Landwirte wie Menschen, die sich bewusst mit dem Klimawandel auseinandersetzen, sehen sich bei andauernden Hitzewellen bald mit der Bedrohung ihrer Lebensgrundlage konfrontiert.
Und wie soll der Alpwirt weiter seine Familie ernähren, wenn der weisse Gipfel über seiner Beiz grauem Fels gewichen ist und keinerlei Reiz mehr für Touristen ausstrahlt?
In einer Metaanalyse konnte der US-amerikanischen Forscher Craig Anderson dazu nachweisen, dass übermässige Hitze die Aggressivität fördert. Mit ein Grund, so der Psychologe: das Hormon Vasopressin. Es regelt unseren Wasserhaushalt, indem es unsere erweiterten Blutgefässe verengt. Der Nebeneffekt: Es macht uns auch gefühlt reizbarer.
Doch kann man nun ein Hormon dafür verantwortlich machen, dass bei Hitze auch zwischenmenschlich nicht immer alles läuft?
Einen kühlen Kopf bewahren
Viel besser ist doch: Nehmen Sie Ihr Schicksal in die eigene Hand.
Viele Probleme im Kopf sind mit dem Körper eng verflochten. Sorgen Sie also ganz praktisch vor: Trinken Sie viel, tauschen Sie die enganliegende Leggins gegen die weite Leinenhose und verschieben Sie die anspruchsvolle Running-Tour von der Mittagspause in die frischen Morgenstunden.
Und sonst? Klar ist die Politik gefragt: mit Massnahmen und Aktionen, die das Leben nachhaltig und langfristig möglich machen.
Aber auch auf persönlicher Ebene können sie was für zwischenmenschliche Klima tun. Praktizieren Sie Gelassenheit, lassen Sie es langsamer angehen, ziehen Sie sich aus der «Hitze des Gefechts» zurück. Bewahren Sie ganz einfach «einen kühlen Kopf».