Wer vegan isst, zerstört den Regenwald – oder nicht?
Wer sich vegan ernährt, konsumiert oft Sojaprodukte. Zugleich wird Anbaufläche im Regenwald gerodet, um Soja anzupflanzen. Sind die Veganer also Schuld daran?
Das Wichtigste in Kürze
- Um Anbaufläche für die Sojaproduktion zu gewinnen, wird der Regenwald gerodet.
- Die intensiven Monokulturen haben gravierende Auswirkungen auf die Umwelt.
- Viele meinen, dass die erhöhte Nachfrage nach Sojaprodukten den Amazonas zerstört.
- Soja wird auch für Futtermittel und Kosmetik eingesetzt.
Veganer zerstören wegen ihres Konsums von Sojamilch, Tofu und Sojaburgern den Regenwald – wird zumindest behauptet. Doch stimmt es tatsächlich, dass Soja und die zunehmende Nachfrage nach sojabasierten Ersatzprodukten zur Vernichtung des Regenwalds beitragen?
Eines gleich vorweg: Gänzlich falsch ist diese Aussage nicht. Denn für die Produktion von Soja wird tatsächlich Fläche im Regenwald abgeholzt.
Jedes Jahr werden gemäss der UNO-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) mehr als 330 Millionen Tonnen Soja angebaut. Die USA, Brasilien und Argentinien sind dabei die grössten Produzenten.
Die drei Länder sind für 80 Prozent der weltweiten Produktion verantwortlich. Die Folgen des Sojaanbaus in diesen Ländern sind Waldabholzung, Landnutzungskonflikte und Umweltverschmutzung.
Damit trägt die Sojaproduktion auch erheblich zum Klimawandel bei.
Menschenrechtsverletzungen durch Sojaanbau
Doch nicht nur die Vernichtung von Wäldern und anderen wertvollen Flächen ist eine Folge der Sojaproduktion. Für den Anbau von gentechnisch verändertem Soja kommen grosse Mengen an Herbiziden zum Einsatz, die Böden und Grundwasser schädigen.
Des Weiteren wird regelmässig von Menschenrechtsverstössen berichtet. Denn illegale Landnahme und Vertreibung der lokalen und indigenen Bevölkerung sowie der Kleinbauern sind gängige Praxis.
Die Akteure im südamerikanischen Sojageschäft sind oft mächtige Geschäftsmänner mit guten Verbindungen in die Politik. Profit zählt mehr als Umwelt und die Rechte der Kleinbauern.
Von den negativen Auswirkungen der Sojaproduktion besonders betroffen ist das Amazonasgebiet. Der seit 2019 amtierende Präsident Brasiliens Jair Bolsonaro sieht den Regenwald als Schatz, den es zu erschliessen und auszubeuten gilt.
Kein Wunder also, dass unter Bolsonaro die Abholzung des Regenwalds sogar weiter zunimmt. Und dies, nachdem zwischen 2006 und 2014 aufgrund eines Moratoriums kaum mehr Rodungen für den Sojaanbau stattgefunden hatten.
Soja für den Export
Ein Grossteil des in Südamerika angebauten Sojas wird exportiert. China und die EU sind die Hauptabnehmer.
Die EU importiert jährlich 36,1 Millionen Tonnen. In der Schweiz beträgt die Importmenge rund 300´000 Tonnen. Dafür wird im Ausland eine Anbaufläche benötigt, die etwa dem in der Schweiz verfügbaren Ackerland selber entspricht.
Wir bewirtschaften für den Sojaanbau also indirekt eine zweite Schweiz.
Wer vegan isst, zerstört den Regenwald?
Stimmt es also, dass Veganer mit ihrem Konsum von Tofu, Sojajoghurt und Sojawürstchen den Regenwald zerstören?
Die Antwort ist einfach: nein. Denn für den menschlichen Konsum werden nur zwei Prozent des weltweit angebauten Sojas verwendet.
18 Prozent werden zu Sojaöl verarbeitet, das als Zusatzstoff in Fertigprodukten zum Einsatz kommt. Zudem nutzt die Kosmetik- und Automobilindustrie Sojaöl als Wertstoff.
Der grösste Teil des weltweit angebauten Sojas, rund 80 Prozent, landet in den Mägen von Kühen, Schweinen und Hühnern.
Die kleine Proteinbombe aus Südamerika ist eine ideale Ergänzung zum Raufutter. Denn sie liefert die benötigten Nährstoffe, damit die Tiere möglichst viel und möglichst schnell Fleisch und Milch produzieren.
Auch Schweizer Bauern importieren Soja. 95 Prozent des für die Tierfütterung gebrauchten Sojas stammt aus dem Ausland.
Während das Soja für die Fleisch- und Milchproduktion aus Südamerika importiert wird, stammt das Soja für Tofu, Sojadrink und Co. hauptsächlich aus Europa. Einige Hersteller verwenden sogar Schweizer Soja.
Lokale Sojaproduktion für Lebensmittel
In der Schweiz werden jährlich 3'882 Tonnen Soja angebaut. Dieses landet nicht im Futtertrog der Nutztiere, sondern wird für die Lebensmittelproduktion verwendet.
So setzt zum Beispiel Coop für ihren Tofu aus der Karma-Linie auf Soja aus Schweizer Produktion. Für die Sojamilch und -desserts verarbeitet der Detailhändler Bio-Sojabohnen aus Italien.
Die Migros verwendet für die Sojaprodukte der AHA- und Alnatura-Linie ebenfalls nur Soja aus Europa. Dieses kommt je nach Verfügbarkeit aus Frankreich, Deutschland, Italien und Österreich, erklärt die Medienstelle auf Anfrage.
Dass Soja zur Zerstörung des Regenwaldes beiträgt, ist also grundsätzlich nicht falsch. Der Grund liegt aber nicht etwa im Tofukonsum der Veganer, sondern in der hohen Nachfrage nach Fleisch und Milch.
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Mirjam Walser schreibt für Nau.ch regelmässig zum Thema vegan. Sie hat unter anderem ein veganes Start-up-Netzwerk und einen Onlineshop für vegane Mode mitgegründet.