Warum Schweinefleisch zu essen normal ist, vegan sein aber extrem

Mirjam Walser
Mirjam Walser

Bern,

Hunde zu lieben, aber Schweine zu essen, ist für uns so selbstverständlich, dass wir jene, die vegan leben, als sonderbar wahrnehmen. Warum ist das so?

Burger nicht vegan
Burger die vegan sind, liegen im Trend. Dennoch isst die Mehrheit der Bevölkerung Burger mit tierischem Fleisch. - Unsplash

Das Wichtigste in Kürze

  • Unsere Gesellschaft unterscheidet zwischen Haus- und Nutztieren.
  • Diese Unterscheidung ist willkürlich und wird durch den Karnismus bestimmt.
  • Der Karnismus ist eine Ideologie, mit der wir entscheiden, welche Tiere wir essen.

Stellen Sie sich vor, Sie befinden sich an einem Geburtstagsfest. Sie stehen am Buffet und laden sich knackige Salate und saftige Fleischbällchen auf den Teller.

Die Bällchen sind besonders schmackhaft, also fragen Sie die Gastgeberin nach dem Rezept. Das Geheimnis liege im besonders exquisiten Fleisch, meint sie: Golden Retriever.

Karnismus formt Wahrnehmung der Tiere

Dieses Gedankenexperiment stammt aus dem Buch der amerikanischen Sozialpsychologin Melanie Joy «Warum wir Hunde lieben, Schweine essen und Kühe anziehen». Darin analysiert sie, wie wir Tiere je nach Funktion – Nutz- oder Haustier – unterschiedlich wahrnehmen.

Joy erklärt, dass diese Einteilung durch den Karnismus bestimmt wird. Der Karnismus ist ein gesellschaftliches Glaubenssystem, das definiert, welche Tiere wir essen und welche nicht.

Dieses Glaubenssystem ist gelernt und hat sich über Generationen entwickelt. Hunde, Katzen, Meerschweinchen und Co. sind für uns Haustiere. Wir behandeln sie wie Familienmitglieder, nehmen ihre Bedürfnisse, Ängste und Schmerzen war.

Wir tun alles, damit es ihnen gut geht und sie ein langes, glückliches Leben führen.

Golden Retriever Hund
In unserer Gesellschaft ist es inakzeptabel, Golden Retriever zu essen. - Pexels

Kühe, Schweine oder Hühner hingegen fassen wir als Nutztiere auf. Obwohl sie ebenfalls Bedürfnisse, Ängste und Schmerz erfahren, spielen diese bei der Beurteilung keine Rolle.

Wir schätzen sie nicht als individuelle Persönlichkeiten wie Haustiere, sondern als anonyme, nützliche Tiere, die Milch, Fleisch oder Eier geben.

Welches Tier zu welcher Kategorie zählt, ist willkürlich und kulturell bedingt.

Ein Hund eignet sich nämlich durchaus für den Kochtopf – in China gelten die Tiere als schmackhafte Delikatesse. In Indien hingegen würde niemals eine Kuh auf dem Teller landen, denn sie gelten als heilig.

Karnismus wird als normal empfunden, vegan zu sein als extrem

Im Karnismus ist es normal, dass wir bestimmte Tiere essen und andere als Familienmitglieder sehen. Diese Doppelmoral ist so selbstverständlich, dass wir diejenigen, die sich davon distanzieren und vegan leben, als komisch oder extrem einstufen.

Die Psychologin Melanie Joy vergleicht den Karnismus deshalb mit einer Matrix. Wenn wir in der Matrix sind, wird der Konsum von Tieren gutgeheissen. Ebenso, dass nur gewisse Tiere für unseren Gaumenschmaus sterben müssen.

Es kommt aber auch vor, dass sich Menschen diesem Widerspruch bewusst werden und aus der Matrix hinaustreten. Die vorher akzeptierten Normen erscheinen dann absurd. Plötzlich ist es ebenso fragwürdig ein Kalb zu essen, wie ein Pudel zu Hackbällchen zu verarbeiten.

Karnismus zum ersten Mal vor zehn Jahren benannt

Fleischessen wurde erst vor zehn Jahren zum ersten Mal mit dem Karnismus als eigene Ideologie benannt. Der Begriff ist ein Gegenstück zum Veganismus, der ebenfalls oft als Ideologie bezeichnet wird.

Das bedeutet nun nicht, dass man sich zwischen einem der beiden Wertesysteme entscheiden muss. Man kann die vegane Ethik nämlich auch unterstützen, wenn man noch Fleisch isst.

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Mirjam Walser vegan
Vegan-Expertin Mirjam Walser. - zVg

Mirjam Walser schreibt für Nau.ch regelmässig zum Thema vegan. Sie hat unter anderem ein veganes Start-up-Netzwerk und einen Onlineshop für vegane Mode mitgegründet.

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Kommentare

User #2367 (nicht angemeldet)

Oft reagieren Fleischesser gereizt auf eine vegane Lebensweise! Dafür gibt es einen psychologischen Grund: das Meat-Paradox. Welche Rolle Verleugnung, Tierliebe und der Missionierungseifer der Vegan-Szene spielen, erklärt Ernährungspsychologe Christoph Klotter. Christoph Klotter: Natürlich werde ich sauer! Denn indem Sie im Restaurant nach meiner Steak-Bestellung eine Quinoa-Bowl ordern, kommunizieren Sie mit mir. Ohne etwas sagen zu müssen, stellen Sie mir die Frage: „Warum isst dieser Mensch noch Fleisch?". Sie machen mir zurecht ein schlechtes Gewissen und verursachen mir Stress, denn im Gegensatz zu mir sind Sie um Nachhaltigkeit und Tierwohl bemüht. Und damit halten Sie mir etwas vor, das ich Überhaupt nicht wissen will. Allerdings ist mir eigentlich klar, dass der vegane Lebensstil viel besser ist für die Tiere, die Gesundheit und den Planeten.

User #2367 (nicht angemeldet)

Tierische Produkte konsumieren ist schlecht für das Klima, für den Planeten und vor allem leiden Tiere! Warum für solchen Blödsinn so viel Steuergeld verschwenden? Der allergrösste Teil der Landmasse beansprucht mit rund 33,8 Prozent oder 48 Millionen km2 die Landwirtschaft. Das ist etwas mehr als die Fläche von ganz Asien. Von dieser Fläche werden 80 Prozent für die Tierhaltung verwendet - sprich für den Futteranbau und für Weideland. Einen wesentlichen Beitrag zur ineffizienten Nutzung von Land und der daraus resultierenden Rodung von Waldfläche leistet unsere Ernährung. Spezifisch bei tierischen Produkten ist die verwendete Fläche um 1000 kcal zu produzieren alarmierend schlechter, als bei pflanzlichen Alternativen. Vegan leben anstatt Tiere quälen!!

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